Auf dem Weg zurück

Wir haben unser Ziel erreicht. Wir sind in Alaska angekommen und haben eine Zeit lang hier verbracht. Ab jetzt geht es Richtung Zuhause.

Wir sitzen im Bus. In zwei Tagen verlassen wir den amerikanischen Kontinent, auf dem wir uns über eineinhalb Jahre aufgehalten haben. Erinnerungen schweben mir im Kopf herum, Erinnerungen an unsere Reise, an die Menschen die wir kennengelernt haben und an die Orte an denen wir gewesen sind. Sie sind bunt. Wir vermissen die Buntheit und die Offenheit Lateinamerikas, die Gastfreundschaft der Menschen und ihre Herzlichkeit. Die Kultur und die Sprache. Wir werden die Stille und Schönheit Kanadas und Alaskas vermissen, die endlos bewaldeten Berghänge und unbewohnten Seen, die Tundra, die Wildheit Denalis, das Eins-Werden mit der Natur. Als wir Mexiko verlassen haben, hatte ich nicht dieses beklemmende Gefühl des Abschieds. Wir sind ja in Amerika geblieben. Auch wenn wir in Alaska Europa viel näher sind als Südamerika, hatte ih doch bei unserer Abreise aus Mexiko noch nicht das Gefühl mich von Lateinamerika verabschieden zu müssen. Jetzt müssen wir uns von allem gleichzeitig verabschieden.

Mit dem Verlassen des amerikanischen Kontinents begeben wir uns auf den Weg zurück, zurück nach Europa, Deutschland, zu unseren Familien und Freunden. Ob wir uns auf den Weg nach Hause machen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht ob da, wo einmal Zuhause für mich war, immer noch Zuhause ist. An jedem der vielen wunderbaren Orte habe ich ein kleines Stückchen meines Herzens gelassen. Wo ich Zuhause bin weiß ich nicht. Noch nicht.

Der Abend vor unserem Flug: Ich möchte nicht gehen. Wir sitzen im Hot Pot bei unserem Couchsurfing und lassen unsere Reise Revue passieren. Sie geht zu Ende. Und ich, die am Anfang oft Heimweh und Sehnsucht nach meiner Familie hatte, möchte nicht gehen. Mir wird klar: ich habe Angst davor, nach Hause zu kommen. Angst davor, den Menschen wiederzubegegnen, die ich so lange nicht mehr gesehen habe. Immer wieder neuen Menschen zu begegnen, das macht mir nichts mehr aus, davor habe ich keine Angst mehr, davor, alte Bekannte oder Familie wiederzusehen schon. Was wird von mir erwartet? Wie soll ich mih verhalten? Bin ich willkommen?

Wir lassen uns auf unsere Fensterplätze fallen. Wir haben beide einen Fensterplatz ganz hinten im Flugzeug. Die Sitze neben uns bleiben leer. Wir starten, sehen noch einmal den Pazifik und die Alaska Range. Der Denali ist wolkenverhangen. Vorerst. Als wir genau neben ihm sind, reißen die Woken auf und er zeigt sich uns nochmal in seiner ganzen Pracht. Ein riesiger Gletscher fließt in ein Tal hinab. Es sind nur zwei Minuten, dann ist er wieder im Dunst verschwunden. Wir winken Elias, der unter uns im Visitor Center sitzt. Wir fliegen über schroffe Berge, die Tundra, die an manchen Stellen rot leuchtet, über eine unberührte Landschaft ohne eine Menschenseele, voller Seen und Flüsse, die sich in vielen Schleifen ihren Weg zum Yukon bahnen. Wie Löwenzahn leuchten die gelben Birkenblätter bis zu uns nach oben. Wie Blütenteppiche begleiten sie die Flüsse und bedecken Berghänge. Dann passieren wir den Yukon, der in viele Arme aufgefächert majestätisch dahinfließt. „Das war Amerika“ denke ich wehmütig als wir das Festland verlassen. Eine Wolkenschicht zieht sich zwischen uns und das Meer, allerdings nicht für lange. Und plötzlich treiben unter uns Eisschollen im Ozean. Wie groß sie wohl sein mögen? Von hier oben sehen sie aus wie Spielsteine. Der Wind hat Muster auf das Wasser gemalt. Die Schollen bilden Strudel und kleinere Gruppen. An manchen Stellen gibt es keine. Je weiter wir kommen, desto größere Platten bilden sich. Sie warten nur darauf, zusammenzuschmelzen. Wir fliegen über die kanadischen Inseln ganz im Norden. Manche sind schneebedeckt, andere nicht, dazwischen immer wieder Eisschollen, einzelne und große Platten. Dann werden die Eisschollen wieder weniger, bis wir gar keine mehr sehen. Große Gletscher bedecken einige der Inseln. Die Sonne neigt sich langsam dem Horizont zu und versinkt als glühend roter Ball im Meer.

Nach drei Stunden Nacht landen wir auf Island. Wir sind wieder in Europa. Auf dem Weg zurück…

Johann und Rebecca

(Rebecca)

Fazit Kanada und Alaska

FAZIT KANADA:

Anfang des Jahres kamen wir in Vancouver an. Aus Mexiko, mit gemischten Gefühlen. Einerseits haben wir uns auf Kanada gefreut, da wir dachten, es in manchen Punkten kulturell bedingt etwas einfacher zu haben und nicht mehr so als reicher Tourist wahrgenommen zu werden. Andererseits war uns auch klar, dass wir in Kanada wahrscheinlich nicht mehr auf so viele offene und lebensleichte Menschen treffen werden. So oder so ähnlich kam es dann auch. Wir mussten uns in einer andere Welt einfinden. In eine Welt, die leiser ist, ernster und in der man nicht einfach befahrene Straßen, Baustellen oder ähnliches betritt. Die andere Sache war die Sprache. Nach über einem Jahr Spansich kamen wir nun in ein englischsprachiges Land. Im Gegensatz zu Französisch kamen wir mit Englisch und Spanisch nicht so durcheinander, dennoch mussten wir erst wieder reinkommen. Anfangs hätten wir uns auf Spanisch einfacher verständigen können als auf Englisch.

Wir fuhren in den Norden, halfen im Frühjahr auf einer riesigen Rinderfarm und im Sommer am Yukon auf einem kleinen Hof. Wir haben uns eingefunden, aber trotzdem sind wir, ich würde sagen, etwas delikat geworden, was Kultur betrifft. Damit meine ich, dass wir alles sehr hinterfragen und uns genau anschauen, wie die Leute sind. Was sie sagen, was sie machen. Wir haben nun Maßstäbe, um Vergleiche ziehen zu können. Wir können an uns beobachten, wie wir sind, wir sind über ein Jahr durch Lateinamerika gereist und konnten dort viele verschiedene Menschen treffen. Deren Einstellungen, Denkweisen und Alltag kennenlernen. Es ist nicht einfach, das ganze neutral zu sehen und einfach nur zu beobachten. Ohne zu Werten. Denn es gibt doch immer wieder Dinge, die einem ganz schön auf die Nerven gehen. In Kanada genauso wie in Lateinamerika, genauso wie bei einem selber.

In Kanada fällt uns auf, dass die Menschen viel distanzierter und dabei (gezwungen) höflich sind als in Lateinamerika, wenn man das mal so grob verallgemeinern kann. Man könnte es auch kühler nennen (was manchmal auch weniger anstrengend sein kann). Gut konnten wir das auf dem Hof am Yukon beobachten, wo abends Freunde unserer Gastgeber im Haus saßen und gekocht wurde. Der Tisch war nur für uns gedeckt. Die Freunde wurden nicht berücksichtigt. Als das Essen dann fertig war, gingen die Freunde. In Lateinamerika ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn du da im Haus bist und es gibt Essen, dann isst du mit. Nein, du hast mitzuessen. Und wenn nicht genug da ist, wird geteilt. Keine Chance dem zu entgehen. Und da sind wir auch gleich beim Punkt „Freunde“. In diesem Punkt unterscheiden sich die Kanadier gar nicht so von ihren südlichen Nachbarn, aber sehr von uns. Während für uns ein Freund wirklich eine Vertrauensperson ist, eine Person, mit der man bereits eine gewisse Zeit verbracht hat und sich nah ist, schließt das Wort „Freund“, genauso wie in Lateinamerika, auch das ein, was man bei uns als „Bekanntschaft“ bezeichnen würde. Also auch der Kassierer an der Stammsupermarktkasse oder der Automechaniker, zu dem man irgendwann mal mehr als nur „Hallo“ und „Tschüss“ gesagt hat. Für uns gewöhnungsbedürftig. Genauso wie die Tatsache, dass das was gesagt wird nicht zählt. Oberflächlichkeit. Ein Klischee, das man als Europäer über US-Amerikaner hat, welches jedoch auch in Kanada das ein oder andre Mal bestätigt wurde. Einem wird gesagt, wie toll man gearbeitet hat. Meint es nicht so. Einem wird gesagt, was man am nächsten Tag vorhat. Meint es nicht so. Man erzählt etwas. Einem wird nicht zugehört. Bekommt mehrmals kurz hintereinander die gleichen Fragen gestellt. Natürlich mit Ausnahmen, nicht jeder. Aber grundsätzlich schon. Man muss lernen, abzuschätzen, wann meint jemand etwas wirklich so wie er es sagt und wann ist es einfach nur dahergeredet. Trotzdem sind die meisten Menschen sehr freundlich und hilfsbereit. Das Trampen ging recht gut und im Gegensatz zu Lateinamerika, wird man, wenn man eine Stadt passieren will, zum Ortsausgang an eine gute Stelle gebracht und nicht einfach irgendwo ausgesetzt. Der große Unterschied beim Trampen in Kanada ist, dass man ein Schild braucht. Sonst machen die Leute wilde Gesten und versuchen einem zu verstehen zu geben, dass sie keine Ahnung haben, wo man hin möchte. Auch wenn es nur eine Straße gibt. Den Lateinamerikanern sind Schilder wurst. Sie halten egal was auf deinem Schild steht, auch wenn sie einen nur ein kleines Stück weiterbringen können. Die Kanadier brauchen die Schilder. In Alaska haben wir es gar nicht ohne probiert.

Anders sind in Kanada auch die Distanzen, die teilweise sehr einsamen, wunderschönen Gegenden und Tiere wie Bären, Elche und Wölfe. Man kann nicht einfach zelten, sondern man muss achtsamer sein, seine Nahrungsmittel immer außer Bärenreichweite bringen.

Letztendlich sind die vier Monate, die wir in Kanada verbracht haben, entschieden zu kurz um dieses riesige Land kennenzulernen. Selbst British Colombia und Yukon, die beiden Bundesstaaten, die wir besucht haben, sind jeweils um einiges größer als Deutschland. Dennoch haben wir einen Eindruck bekommen. Einen Eindruck, den wir beide noch gerne etwas vertiefen würden.

FAZIT ALASKA:

Wir wurden von einem sehr unfreundlichen und harschen Officer an der Grenze so behandelt, dass man schon große Lust darauf hatte, nach Alaska zu gehen. Einen Kulturschock erlitten wir aufgrund der letzten Monate in Kanada jedoch trotzdem nicht. Es war auch nicht groß anders. Vom gesellschaftlichen Punkt aus, scheint es zwischen den „Weißen“ und den Indigenen in Alaska weniger Probleme zu geben. Es wird nicht so getrennt zwischen „uns“ und „denen“. Trotzdem sieht man, gerade in den Städten wie Fairbanks und Anchorage viel mehr Indigene als in den Städten Kanadas. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es in Kanada sehr viele Reservate gibt, in denen viele Indigene leben, wovon wir in Alaska nichts mitbekommen haben. Das heißt allerdings nicht, dass die Indigenen in Alaska unter besseren Bedingungen leben. Das können wir schlecht einschätzen. Zumindest bei dem in den Städten lebenden Anteil haben gefühlt viele ein Alkohol- und/oder Drogenproblem. Es ist traurig anzusehen, dass diese Menschen, deren Vorfahren vor nicht allzu langer Zeit noch in der und von der Natur gelebt haben und die sie lesen konnten, nun geradezu in den Städten versauern. Damit möchte ich nicht sagen dass sie selbst daran schuld sind. Das Problem liegt am System. Auch die Zahl der Obdachlosen übertrifft die sowieso schon hohe Zahl derer in Kanada. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind vor allem ein Beförderungsmittel für die weniger gut betuchten Menschen. Alle anderen haben ein Auto. Und da sind wir auch schon beim Thema Auto. Das Auto ist Fortbewegungsmittel Nummer eins. Nichts geht ohne Auto. Auch weil einfach alles aufs Auto ausgelegt ist. Man kann zudem auch fast alles mit dem Auto machen. Braucht man etwas zu essen, fährt man in ein Drive-Thru Restaurant. Braucht man Geld an eine Drive-Thru Bank und Einkaufen kann man von zuhause aus und holt den Einkauf am Kundenservice am Eingang des Supermarktes ab. Das Ding ist aber auch, dass man ohne Auto schlecht zum Supermarkt kommt, da die Städte oft groß und breit sind und die Entfernung doch recht groß sein kann, um zum Supermarkt zu kommen. Ganz zu schweigen von den Menschen, die weit draußen im Wald leben. Da geht es ja kaum ohne. Auch beim Zelten merken wir, dass es aufs Auto ausgelegt ist.man soll keine Essenssachen mit ins Zelt nehmen wegen Bären, es gibt aber oftmals keine Bärenkisten, in denen man es verstauen könnte, weil davon ausgegangen wird, dass man alles in sein Auto packen kann.

Alaska erschien uns ansonsten sehr behindertengerecht. Es gibt an Wanderwegen zumindest eine kürzere Route, die rollstuhlgerecht ist. Es gibt überall Behindertentoiletten und im Supermarkt gibt es Elektrorollstuhleinkaufswagen (die auch gerne von übergewichtigen Leuten genutzt werden).

Die Natur in Alaska ist wundervoll. Es gibt so viel zu sehen und zu machen. Man hat hohe Berge, den Denali, Fjorde, Gletscher, Wald, Tundra, unglaublich viele Flüsse und Seen und viele Wildtiere. Und Nordlichter. Wir sind sehr viel rumgekommen in Alaska und haben dennoch kaum etwas gesehen. Nur ein ganz kleiner Teil Alaskas ist überhaupt durch Straßen zugänglich. Sonst nur mit dem Buschflugzeug. Wir konnten viele Grizzlybären, Elche, Karibus, Adler, Lachse, Moschusochsen, Füchse, zwei Schwarzbären und viele andere beobachten. Wir hatten meistens schönes Wetter. Was will man mehr?! Wir wissen jetzt schon, dass wir gerne nochmal zurückkommen würden. Denn fehlen tut uns immer noch einiges.

Jetzt schauen wir mal wie es zurück in Europa, genauer gesagt, Island so ist. Wie wir dort zurechtkommen werden und was wir für Erfahrungen machen werden.

Bis dahin alles Gute!

Liebe Grüße aus über Grönland,

Rebecca und Johann 🙂

(Johann)

„3 unterwegs im Land der Grizzlies“

Noch haben wir mit Samuel nicht viele Bären gesehen. Um genau zu sein nur zwei Schwarzbären. Auf den T-Shirts die Samuel für uns alle hat bedrucken lassen steht unter anderem aber „3 unterwegs im Land der Grizzlies“. Ob wir im Denali-Nationalpark wohl welche sehen werden?

Nach einem großen Einkauf (Essen für insgesamt neun Tage) begeben wir uns an die Straße. Wir wollen versuchen, zu dritt zum Denali-Nationalpark zu trampen. Nach etwa 20 Minuten hält ein Auto. Ein alter Mann mit dreckigen Hosen, einem langen Bart und wenigen Zähnen öffnet für uns den Kofferraum. Der erste Teil der Fahrt wird kuschelig. Während Johann vorne sitzt, teilen Samuel und ich uns die Rückbank mit seinem Rucksack und einer Hündin, die vor lauter Freude Gesellschaft zu haben, nicht aufhören kann auf uns herumzuklettern und unaufhörlich übers Gesicht zu schlecken. Der Mann muss 45Km. weit fahren. An seinem Haus angekommen, bringt er die Hündin rein und setzt sich wieder zu uns ins Auto. Er will uns bis zum Eingang des Nationalparks bringen, weil er sonst nichts zu tun hat und nur im Haus sitzt. Bis zum Denali sind es aber 313Km. zu fahren. Er scheint es zu genießen, mit jemandem reden und Geschichten erzählen zu können. Wir verstehen nicht alles was er sagt, seine Zahnlücken lassen die Worte in seinem Mund verschwimmen. Er erzählt, der Denali sei einer der höchsten Berge der Welt (6191 m), vielleicht ist es überhaupt der einzige Berg. Er habe zudem einen riesigen schwarzen Diamanten am Denali gefunden, der aus Diamanten bestünde, in Alaska habe der zweite Weltkrieg begonnen und hinter Fairbanks sei direkt die russische Grenze. Wir tun uns bei dem Rest seiner Erzählungen ein bisschen schwer, herauszufinden, was wir jetzt glauben sollen und was nicht. Er hat große Freude von Autounfällen zu erzählen, wenn sich Autos im Kreis drehen und überschlagen. Er muss sehr einsam sein, wenn er nur für ein bisschen Gesellschaft eine so weite Strecke fährt. Als wir nach etwa drei Stunden Fahrt am Denali ankommen, gibt er uns die Hand und setzt sich schnell wieder in sein Auto. Ich frage mich, wie es ihm wohl auf der Rückfahrt ergehen wird, wenn er wieder allein in seinem Auto und dann in der Stille seines kleinen Hauses sitzt. Zuhause wartet nur seine Hündin. Es tut mir leid, ihn wieder alleinzulassen.

Am nächsten Tag geht es erstmal zum Visitor Center. Es gibt ein paar Dinge zu tun, bevor wir ins Backcountry des Denali-Nationalparks aufbrechen können. Die erste Nacht werden wir am Wonder-Lake Campground verbringen, ein paar Tage vorher hatten wir ihn schon reserviert. Doch dann soll es ins Backcountry gehen. Dazu muss man sogenannte Units reservieren und das ist frühstens einen Tag bevor man losziehen will, möglich. Wir stehen also früh auf, um zu bekommen was wir wollen. Die Units sind verschieden groß und dementsprechend können unterschiedlich viele Leute gleichzeitig in eine Unit. Eine ist unbegrenzt, andere haben am Tag höchstens acht oder nur vier Plätze. Die Idee der Units ist, dass man sich fühlen soll, als sei man der erste und einzige Mensch inmitten der unberührten Natur. Es gibt keine Wanderwege in den Units (außer ein paar wenigen sehr kurzen). Man orientiert sich anhand der Landschaft und Karten und versucht durch Beobachten einen guten Weg durch sumpfige Tundra, Flüsse oder Büsche zu finden. Wir werden von den Rangern mit Informationen für die verschiedenen Units ausgestattet und suchen uns dann aus, in welche wir gehen wollen. Wir sind früh genug dran und bekommen die die wir wollen. Zur Vorbereitung müssen wir einen 30 minütigen Film ansehen über richtiges Verhalten im Nationalpark und einen Zettel mit Angaben über unser Aussehen und unsere Kleidung ausfüllen, für den Notfall. Nachdem wir unseren Backcountry-Eintritt gezahlt haben, brauchen wir nur noch ein Busticket. Mit eigenen Fahrzeugen kann man nur ein paar Meilen in den Nationalpark hineinfahren, der gesamte Rest ist für den öffentlichen Verkehr gesperrt und nur per Bus erreichbar.

Inzwischen regnet es. Abwechselnd leicht und in Strömen. Auch für den nächsten Tag ist die Wettervorhersage schlecht. Bevor wir überhaupt losgehen haben Johann und ich schon nasse Füße. Nach mehr als eineinhalb Jahren Vollnutzung sind unsere Schuhe langsam am Ende. Die Sohlen sind abgelaufen, bei Johann regnet es durch die Risse von oben rein und ich darf nichtmal durch die kleinste Pfütze gehen, weil sonst das Wasser einfach auf der Seite in einen Riss zwischen Schuh und Sohle läuft. Aber durch den Denali und bis nach Hause müssen sie es noch schaffen, nach so langer Zeit diese Schuhe wegzuschmeißen kommt gar nicht in Frage. Wir ziehen uns also Plastiktüten in die Schuhe.

Unser Zelt hat über Nacht auch ein bisschen unter dem starken Regen gelitten. Es hat aufs Innenzelt getropft und wir mussten eine Plane unter den Boden legen, damit wir nicht auch von unten nass werden. Das fängt ja schon mal gut an. Wir packen unsere Sachen am Morgen in den (zum Glück ausreichend großen) Toilettenhäuschen, dann geht es mit einem Camperbus auf in den Nationalpark. Es regnet ohne Ende. Ab und zu steigen Leute irgendwo im Nirgendwo aus um wandern zu gehen. Andere warten an der Straße, vollkommen durchnässt, auf einen der Bus, der sie aufsammelt. Unser Busfahrer überredet zwei Wanderer einzusteigen, die eigentlich gar nicht mitgenommen werden wollen. Sie sind auf dem Weg in die Unit 13, in die auch wir morgen wollen. Der Fahrer macht ein besorgtes Gesicht. Es hätte in letzter Zeit nur geregnt, sagt er, die Flüsse seien extrem angeschwollen und schwer zu durchqueren. Die Flüsse, die es in der Unit 13 (bzw. um dorthin zu gelangen) zu überqueren gibt, seien heikel. Tatsächlich sieht das Flussbett von oben ein bisschen furchteinflößend aus. Viele braune Arme schlängeln sich durch den Kies, das Bett ist so breit (oder Regen und Nebel so dicht), dass man das andere Ende nicht sehen kann. Das sieht auch für uns nicht gut aus. Auf der Fahrt bis hierher wurde viel an der Straße gearbeitet, mit Baggern wurde versucht, dem vielen Wasser kleine Bäche zu graben, sodass es nicht die Straße überschwemmt. An einer Stelle war die Straße hoffnungslos überschwemmt. Als Samuel ankam, hatte der Fluss zu wenig Wasser um unsere geplante Kanutour zu machen, hier im Denali und inzwischen auch in Fairbanks haben die Flüsse alle Hochwasser. Wir sehen auf dem Weg ein paar Karibus (nordamerikanische Rentiere) aus weiter Entfernung und unseren ersten Grizzly, der Regen und Wind tapfer trotzt. Am Zeltplatz angekommen flüchten wir unter Dach und während Johann und Samuel unser tropfnasses Zelt aufbauen, eine unserer Planen darüberspannen und die andere darunterlegen, koche ich unseren Knorr-Fertigreis. Für die Wanderung haben wir allerlei schnelle und leichte Fertiggerichte gekauft: Nudeln, Kartoffelpüree, Reis, Mac&Chesse, zum Abendessen Müsliriegel und zum Frühstück Müsli.

Tatsächlich trocknet unser Zelt dank der Plane und des Windes ein bisschen. Inzwischen gibt es auch immer wieder Regenpausen.

Wir stehen früh auf am nächsten Morgen, den Bus den wir nehmen wollen soll um 8:00 Uhr abfahren. Es regnet nicht mehr und am Himmel sieht man einzelne Wolken statt wie gestern eine graue Decke. Etwas großes braunes erregt meine Aufmerksamkeit. Ich war ganz auf die schneebedeckten Ausläufer des Denali konzentriert, deren untere Hälfte irgendwie durch die Wolken hindurch von der aufgehenden Sonne angestrahlt werden. Ich sehe genauer hin. Es ist ein Elchbulle! Es ist der erste Elch mit großem Geweih den ich sehe. Er steht etwa 150m entfernt auf einer kleinen Anhöhe, mehr oder weniger auf dem Zeltplatz. Es ist noch nicht vollkommen hell, während er frisst hebt er immer wieder den Kopf und hält die wenigen neugierigen Beobachter im Blick. Hinter ihm strahlen der Neuschnee in der Sonne. Einer der Camper kann es nicht lassen und muss näher an den Elch heran. Dem wird es bald zu viel und mit seinen langen staksigen Beinen verschwindet er in zügigem Trab hinter der Kuppe.

Dass die Busse vorerst nicht fahren, stört uns nicht groß. Aufgrund des Regens gab es mehrere Erdrutsche, die die Straße versperren. Wir gehen zum Wonder Lake, während die Wolken um den Denali immer dünner werden. Majestätisch erhebt sich der riesige Berg aus der Alaska Range. Er ist bis auf seine Ausläufer mit Schnee bedeckt, nur die Berge im Vordergrund, die wie kleine Hügel erscheinen, sind braun. Die Tundra ist in sanfte Grün- und Ockertöne getaucht. Man kann sich an dem Berg kaum satt sehen. Gestern noch hätten wir es kaum für möglich gehalten, ihn zu sehen, ja, konnten uns gar nicht vorstellen, dass er so nah sein könnte.

Wir packen das Zelt und unsere anderen nassen Sachen nochmal aus und hängen sie auf. Um ca. 12:00 Uhr bekommen die Busfahrer dann das „Ok“ und wir können losfahren. Zuerst geht es noch bis ganz ans Ende der Straße, dann zum Eielson Visitor Center, der im Nationalpark liegt. Hier bleiben wir vorerst und kochen unser Mittagessen. Wir fragen bei den Rangern nochmal, ob wir durch die Flüsse durchkönnen und bekommen die Absegnung. Dann geht es los. Einer der wenigen Wege im Nationalpark führt eine Meile vom Visitor Center bergab bis an den Fluss durch den wir durchmüssen. Wir folgen dem Weg und werden gleich mal von einem Stachelschwein überrascht, das vor uns auf dem Trail herläuft. Etwas unbeholfen setzt es ein Bein vor das andere und wankt dabei hin und her. Nur wenige Meter weiter entdecken wir etwas weiter unten eine Elchkuh mit ihrem Jungen im Gebüsch liegen. Wenn wir auf dem Weg bleiben, werden wir mit etwa 20m Abstand an ihr vorbeilaufen. Elche, muss man wissen, können Menschen gefährlicher werden, als man vermutet. Besonders wenn sie ein Junges dabeihaben. Wir folgen dem Weg nach unten. Er macht einen Knick und führt direkt auf die Elche zu, die wir aber nicht sehen. Wir gehen zügig und reden, dass die Elchkuh uns hören kann. Vom Weg aus sieht man sie nur, wenn man weiß, dass sie da ist. Sie hat sich im Gebüsch hingelegt und ist gut versteckt. Nur an einer Stelle sehen wir sie kurz. Sie folgt uns aufmerksam mit ihren Augen, bleibt aber liegen. Nur kurze Zeit später stehen wir am Fluss.

Dem Video folgend bilden wir eine Kette (Johann vorne, Samuel hinten, ich in der Mitte) und steigen in das eiskalte Wasser. Entgegen dem Video haben wir unsere Schuhe ausgezogen, eigentlich sollte man sie anlassen. Das Wasser steht uns bis zu den Waden, dann bis zu den Knien und plötzlich stehe ich bis zur Unterhose drin. „Lauf!“ brülle ich Johann an. Die Strömung ist stärker als ich erwartet hätte und ich habe für einen kurzen Moment Angst, aus der Kette gerissen zu werden. Der Fluss ist nicht sehr breit, vielleicht 15m. Und doch sind unsere Füße danach erstmal taub vor Kälte. Leider war das nicht der einzige Fluss. Wir müssen einmal quer durch das Flussbett, durch mehrere Flussarme hindurch, die aber zum Glück nicht ganz so tief sind wie der erste. Unsere Füße sind gegen Ende jedes etwas breiteren Flusses so taub, das wir kaum spüren wohin wir treten und ich Angst habe, einfach abzurutschen und ins Wasser zu fallen nur weil ich nicht fühle wo ich hintrete. Endlich haben wir den ersten Fluss geschafft. Es geht über ein weiß blühendes Zwischenbett zu dem anderen Fluss hinüber. Wieder die Schuhe aus und ins Wasser. Samuel und mich treibt es abwechselnd an den Rand der Verzweiflung. Die vielen Flüsse, das tiefe Wasser, die teilweise starke Strömung, das Barfußlaufen und das eiskalte Wasser. Es ist nicht einfach Stellen zu finden wo wir einigermaßen hindurchkommen, ohne Gefahr zu laufen davongespült zu werden und während Samuel und ich mit blank liegenden Nerven und zitternd zwischen zwei Flussarmen stehen, läuft Johann hin und her und testet Stellen, wo wir hindurchkommen könnten. Er ist derjenige, der uns alle schließlich durch das Wasser und ganz auf die andere Seite bringt.

Ich bin froh um den Hügel, den wir dann hinaufklettern müssen, dabei wird mir wenigatens wieder warm. Es weht ein kalter Wind und obwohl die Sonne scheint ist es frisch. Der Untergrund ist weich und uneben, wir müssen ein kurzes Stück durch dichte Büsche, durch ein enges Flusstal und durch einen Bach (über den Johann uns Huckepack nimmt), auf der anderen Seite wieder hinauf und durch das nächste kleine Tal und den Gebirgsbach. Dann haben wir es erstmal geschafft mit Flüssen. Wir laufen am Berghang entlang und steigen ein bisschen weiter hinauf, bis wir den Denali sehen und einen Platz für unser Zelt in einer windgeschützten Kuhle finden, wo es von der Straße aus nicht sichtbar ist. Wir haben es nicht so weit geschafft wie wir wollten, wir waren für ca. acht Kilometer ungefähr sechs Stunden unterwegs aufgrund der Flüsse und des ungewohnten, manchmal schwierigen Geländes. Wir sind alle fix und fertig als wir in unsere Schlafsäcke kriechen.

Am nächsten Morgen scheint die Sonne und wir machen uns auf den Weg am Hang entlang bis dahin wo wir eigentlich gestern ankommen wollten. Das Zelt lassen wir stehen und nehmen nur einen Tagesrucksack mit. Wir sind frisch und haben wieder Freude am Laufen. Gestern schon haben wir aus weiter Entfernung eine Bärin mit drei Jungen gesehen. Der erste Grizzly heute lässt auch nicht lange auf sich warten. Er ist gute 200m entfernt und frisst friedlich von den Rauschbeeren, die es hier zuhauf gibt. Bald kommen wir an einen steilen Abhang. Von der Anhöhe auf der wir stehen hat man einen wunderbaren Blick auf zwei Flusstäler, den Denali, andere schneebedeckte Gipfel und einen großen Gletscher, der das Tal vor uns hinabrollt. Er ist schwarz, bedeckt von Steinen und Sedimenten, die er auf seinem Weg mitgenommen hat. Nur einzelne steile Eisplatten lassen erahnen, dass die vielen kleinen Berge auf dem riesigen Gletscher aus Eis bestehen. Die Aussicht ist gigantisch. Wir bleiben eine ganze Weile und machen Fotos, der schneidende Wind treibt uns dann langsam wieder zurück.

Wir sind schon in der Nähe unseres Zeltes als wir über eine kleine Hügelkuppe laufen und abrupt stehen bleiben. „Holy“ höre ich Samuel neben mir sagen. „Oh, Bär“ entfährt es mir selbst. 20m entfernt steht ein Grizzly und lässt sich die Beeren schmecken. Er hat uns nicht bemerkt obwohl wir uns unterhalten haben. Wir gehen ein paar Schritte rückwärts und dann einen Bogen nach rechts, während sich der Bär in die andere Richtung bewegt, immer den Kopf am Boden und fressend. Dadurch dass wir einen Bogen gelaufen sind, stehen wir plötzlich im Wind. Der Bär hält inne, dreht sich um, stellt sich auf seine Hinterbeine und sieht uns für ein paar Sekunden an. Wir sind noch immer recht nah beieinander, vielleicht 40m. Dann lässt er sich auf alle Viere fallen und läuft davon, bis er einen für ihn angenehmen Abstand zu uns hat. Dort bleibt er stehen und frisst weiter als sei nichts gewesen. Ich spüre das Adrenalin noch durch meine Adern schießen. Der war richtig nah. Aber gleichzeitig gibt mir diese Begegnung Ruhe und Sicherheit. Ich war seit wir in Kanada ankamen immer ein bisschen ängstlich was Bären betraf. Dank dieses Bären durfte ich endlich selbst die Erfahrung machen, dass Bären kein Interesse daran haben, Menschen sehr nahe zu kommen und dieses Wissen beruhigt mich und nimmt mir die Angst vor diesen wunderbaren Tieren. Es ist eine eindrückliche Erfahrung, jeden Tag Wildtieren zu begegnen oder sie zu sehen, zu wissen dass sie da sind und sich die Umgebung mit ihnen zu teilen.

Ich glaube es ist der gleiche Bär, der mich am nächsten Tag beim Hände waschen an einem kleinen Bach überrascht. Johann sieht ihn kommen. Doch diesmal nimmt er kaum Notiz von uns. Während ich den Rückzug antrete, geht er schnurstracks auf den Bach zu, überquert ihn ein Stückchen weiter oben und verschwindet hinter dem nächsten Hügel. Wir schultern unsere Rucksäcke und machen uns, dem Berghang folgend auf den Weg in eine andere Unit. Es geht durch zwei glasklare Bergbäche und wir dürfen nochmal einen Bären beobachten. Dann geht es durch den Fluss, den wir vor zwei Tagen schon durchqueren mussten. Der große Unterschied ist, dass wir uns ein gutes Stück weiter flussaufwärts befinden, wo der Fluss noch nicht so groß ist und weniger Wasser führt. Diesmal dauert es nicht ganz so lange, bis wir alle durch sind.

Am nächsten Tag geht es wieder nur mit Tagesrucksack in ein Bergtal hinein, immer an einem tiefen und schmalen Canyon entlang, den ein Fluss in den Stein gegraben hat. Es ist eine Landschaft wie aus dem Bilderbuch. Den Denali sehen wir von hier zwar nicht mehr aber die Umgebung ist trozdem wunderschön. Wir sehen die Straße und das Visitor Center nicht mehr. Sonst haben wir beides die meiste Zeit gesehen, weil die Straße recht hoch verläuft und der Center hoch liegt und die Täler in denen wir uns befanden überblickte. Zu unserer Linken steigt das Land schnell steil an und formt kleine Gipfel und lange Grate. Rechts von uns schlängelt sich der Fluss durch den engen Canyon und von der anderen Seite fließen kleine Bäche die steilen Hänge hinab und speisen den Fluss. Wir folgen dem Canyon bis zu einem Bach an dem wir kochen, bevor wir uns wieder auf den Rückweg machen.

Wir haben den Weg zum Visitor Center vor uns. Flussdurchquerung steht auf dem Programm. Eine Bärin und ihr Junges begleiten unsere Aussicht für eine Weile. Wir rutschen und schlittern einen Geröllhang zum Fluss hinab, der jetzt, nach vier Tagen, ein ganz anderer ist. Er ist nicht mehr braun von dem vielen Regen, sondern türkisblau, seine vielen Nebenarme sind verschwunden, er ist lange nicht mehr so reißend. Wir überqueren ihn an der gleichen Stelle wie beim Hinweg, müssen aber diesmal nur für einen kurzen Teil die Schuhe ausziehen. Dort, wo mir das Wasser bis zur Unterhose gestanden hat, reicht es mir jetzt nur noch bis knapp übers Knie. Ohne Schwierigkeiten schafft es jeder für sich durch das Wasser. Was es doch für einen gewaltigen Unterschied macht, wenn es lange geregnet hat, bzw. wenn es ein paar Tage nicht regnet. Schneller als erwartet erreichen wir das Visitor Center, wo wir einen Teil unseres Essens gelassen haben und unsere Vorräte aufstocken und zu Mittag essen wollen. Gerade erklärt eine Rangerin, die einen etwa 1,5 Km. langen Spaziergang anbietet, etwas über die Umgebung. Eine Frau meldet sich und fragt nach dem richtigen Verhalten, wenn man einem Bären begegnet. Ich muss in mich hineinschmunzeln. „Auf den paar hundert Metern werdet ihr jetzt schon keinem Bär begegnen.“, denke ich mir. Wenige Minuten später kommt eine Bärin mit zwei Kleinen auf das Visitor Center zu. Alle Leute werden von den Trails gerufen, nur wenig später rennen alle drei im Schweinsgalopp über den Trail, auf dem gerade noch Leute liefen. Sie begnügen sich kurz mit ein paar Beeren, dann entdecken die Kleinen die kurzen Pföstchen, an denen Seile zu Markierung des Weges befestigt sind und machen sich im Handumdrehen an die Arbeit. Mit Geschick entknoten sie das Seil am einen Ende und beginnen sich vor lauter Freude, das Seil zwischen Krallen und Zähnen, auf dem Rücken herumzuwälzen. Doch wie es bei Geschwistern so ist: Beide wollen das Seil für sich haben und einer muss sich mach einem kurzen Streit geschlagen geben und von Dannen ziehen, während der andere fröhlich weiterspielt. Die Bären wandern einmal um das Center herum und als sie irgendwann auf den Parkplatz spaziert kommen, auf dem alle Busse stehen, werden alle Leute nach drinnen geschickt.

Zu unserem Pech machen sich die drei auf genau den Weg, den wir gerne gehen wollten, um in unsere nächste Unit zu kommen. Der Weg ist erstmal geperrt und wir müssen einen Bus nehmen, der uns an einer geeigneten Stelle aussteigen lässt. Wir gehen ein Stück und bauen dann unser Zelt auf. Wir sind allein, ohne Straße, inmitten der Tundra, die schon die ersten Herbsttöne anklingen lässt.

Wir entschließen uns, schon am nächsten Tag die Unit wieder zu verlassen, weil das Wetter wieder schlechter werden soll und wir ein bisschen Zeit brauchen, die letzte Woche mit Samuel zu planen. Ich wäre gerne noch länger geblieben. Die Schönheit der Natur hat sich tief in eingeprägt und hat den Denali-Nationalpark zu einem meiner Landschafts-Lieblingsziele dieser Reise gemacht.

Als wir zurückkommen regnet es wieder und am Tag darauf flüchten wir nach Fairbanks. Dort soll die Sonne scheinen und Michaela hat uns angeboten, ein paar Tage bei ihr zu verbringen. Nachdem auch der letze Versuch, wenigstens eine dreitägige Kanutour zu unternehmen gescheitert ist, denken wir uns ein Ersatzprogramm aus. Wir wollen nach North Pole, einem Ort außerhalb von Fairbanks. Es ist aber nicht irgendein Ort. Es ist die Somerrsidenz vom Weihnachtsmann und seiner Frau, wo es Rentire und einen ganzjährigen Weihnachtsladen gibt, wo die Wunschzettel der Kinder ankommen und wo man dem echten Santa Claus seine Wunschliste überreichen und weise Sprüche gesagt bekommen kann. Das dürfen wir uns natürlich nicht entgehen lassen und nach einem schönen halben Tag kanuen auf einem See ganz in der Nähe, besuchen wir noch den guten alten Santa Claus (siehe Bilder). Wir versuchen uns im Goldsieben an einem Fluss zu dem Michaela uns mit ihren Goldpfannen bringt. Immer wieder glitzert es verräterisch, wir finden aber kein Gold. Kurz bevor Michaela uns abholen kommt, kommen noch zwei richtige Goldschürfer mit Schaufeln und Eimern und machen sich an die Arbeit. Geben müsste es also was… Mein persönliches Fairbanks-Highlight ist die Hundeschlittentour am gleichen Abend. Wir zahlen einen ordentlichen Batzen Geld für den Spaß, aber es lohnt sich. Mit zwei anderen Neugierigen werden wir von Jeff, der schon öfter beim weltberühmten Iditatod-Rennen über 1000 Meilen (1600Km.) teilgenommen hat, herumgeführt, wir dürfen die gestern geborenen Hundewelpen sehen, mit den älteren Welpen Spaß haben und so viele Fragen stellen wie wir können (Johann kann kaum aufhören). Sie erzählen uns über das Fahren von Schlittenhunderennen, die körperlichen und mentalen Belastungen (Jeff schläft während des gesamten durchschnittlich 13-tägigen Iditarod-Rennens etwa 45 Minuten am Tag), die Hunde und das Training. Zu guter Letzt dürfen wir dabei helfen 14 Hunde vor einen ATV (Quad) anzuspannen, bevor die 30minütige, knapp fünf Kilometer lange Fahrt losgeht. Je mehr Hunde angespannt werden, desto lauter wird es. Sie bellen und jaulen, werfen sich in die Leinen oder springen wie Flummis auf und ab, bis sie endlich das ersehnte Zeichen bekommen. Die Sonne wirft gerade ihre letzten Strahlen durch die Bäume und lässt alles gelb leuchten. Vor uns geben sich die 14 Hunde ganz ihrer Leidenschaft hin und als es bergab geht, schaltet Jeff den Motor aus und unser Wagen wird leise. Es muss unglaublich sein, im Winter lautlos durch den Schnee zu gleiten und mit den Hunden zu rennen. Johann und mich packt die Begeisterung. Wir werden alles versuchen in Norwegen ein Workaway mit Schlittenhunden zu finden!

Wir bummeln durch Souvenir-Läden, schauen uns ein Museum an, gehen einmal abends (viel zu viel) essen, helfen Michaela ein bisschen aufzuräumen und kochen und backen für sie und für uns. Es ist sehr bequem wieder in einem Haus und einem Bett zu schlafen und bei Michaela geht es uns sehr gut. Sie lässt es sich nicht nehmen, ab und an ein Frühstück vorzubereiten und als wir an unserem letzten gemeinsamen Tag zu dritt in die Chena Hot Springs gehen, kaufen wir ihr eine Zehnerkarte, die wir ihr zum Schluss mit einer Karte überreichen. So heißes Wasser wie dort gibt es bei uns glaube ich normalerweise nicht in Thermalbädern. Das Wasser hat 42ºC und man hält es wirklich nicht sehr lange darin aus, selbst wenn man nur mit dem Unterkörper drin steht. Mir ist noch bis zum nächsten Nachmittag schwindelig.

Die vier Wochen mit Samuel vergehen wie im Flug und schon ist der Tag gekommen, an dem wir uns verabschieden müssen. Wir gehen nochmals ein richtig großes Eis essen, bevor wir Samuel zum Flughafen bringen und uns bei der Sicherheitskontrolle schweren Herzens verabschieden.

Es waren sehr intensive vier Wochen, die manchmal auch anstrengend und schwierig waren. Es sind eben drei Leute, alle mit unterschiedlichen Vorlieben und Vorstellungen, die Entscheidungen treffen und Kompromisse eingehen müssen. Und wer uns kennt (Elias kann in Lied davon singen) weiß, dass wir alle nicht sonderlich entscheidungsfreudig sind. 😉 Trotzdem waren die vier Wochen mit Samuel sehr schön und wir haben sie sehr genossen. Es war schön, Besuch von einem Teil meiner Familie zu bekommen und meinen Bruder nach so langer Zeit wiederzusehen. Wir haben extrem viel gesehen und gemacht und wundervolle Momente zusammen gehabt. Danke dass du da warst Samuel!

Rebecca und Johann

(Rebecca)