Umgeplante Pläne

Dass die USA in vielerlei Hinsicht schwierig werden kann, war uns von Anfang an klar. Wir haben uns bereits bei der Planung der Reise Sorgen über die Einreise gemacht, aber auch über das Trampen haben wir Horrorgeschichten vom Nichtmitgenommenwerden gehört. Aber die USA war dann doch noch immer zu weit weg in unseren Gedanken, als dass wir uns andauernd informiert hätten.

Wir wussten nur, dass wir für 90 Tage ohne Visum, bzw. mit dem Visa-Waiver-Programm einreisen dürfen. Das war es dann auch. Als ich dann an der Rezeption hier im Hotel in Mexiko sitze, in dem wir gerade arbeiten, und die Zeit habe, etwas über die USA zu recherchieren, mache ich eine nicht so schöne Entdeckung, die unseren ganzen Plan zunichte machen könnte…

Bisher nahmen wir an, dass wir die 90 Tage für den Hauptteil der USA und Alaska bekommen würden und hatten somit geplant, die USA innerhalb von 30 Tagen zu durchqueren. Demnach blieben uns noch 60 restliche Tage für Alaska übrig und dazwischen würden wir uns 3 Monate in Kanada aufhalten. Falsch gedacht. Der Ablauf der 90 Tage stoppt nämlich nicht, wenn man die USA verlässt und Kanada betritt. Sie laufen einfach weiter. Und das, obwohl man sich gar nicht in den USA befindet. Zumindest, wenn man manchen Beiträgen im Internet glauben schenkt.

So las ich das auf mehreren Seiten, wie z.B. auf der Seite des Auswärtigen Amtes in Österreich oder bei den Reisehinweisen des ADAC. Nach weiteren Recherchen im Internet stellt sich heraus, dass manche von dieser Regelung Bescheid wissen und manche nicht. Das Auswärtige Amt Deutschlands zum Beispiel nicht. Auf der Seite der Reisehinweise der USA ist nichts von dieser Regelung zu finden und auf Nachfrage per Telefon und E-Mail wird man nur an die US-Botschaft in Berlin oder Frankfurt weitergeleitet. Also gut, wir schreiben Mails an die Botschaften und lassen von zuhause dort nachfragen. Auch fragen wir bei den US-Botschaften in Wien und Bern nach. Aus Wien bekommen wir die Antwort, dass es diese Regelung mit den auslaufenden Tagen gäbe, die anderen Botschaften können keine Auskunft geben oder verweisen uns auf die amerikanische Seite der „Homeland Security“. Ein Botschaftsmitarbeiter teilt uns sogar mit, dass wir in keinem Fall visumfrei einreisen können, wenn wir über Land einreisen. Der von ihm mitgeschickt Link widerlegt das jedoch eindeutig. So langsam wird uns klar, dass so wirklich keiner Bescheid weiß. Es ist das reinste Chaos.

Bisher haben wir es gescheut, aber wir fassen uns ein Herz und rufen die Hotlinenummer der „Homeland-Security“ an. Eine vollkommen unverständliche Stimme meldet sich zu Wort. Erst als sie die Nummer 9 auf dem typischen Kaugummi-Englisch sagt, ist mir klar, dass ich die ganze Zeit mit einem Automaten gesprochen habe und sie möchte, dass man eine der Nummern tippt, um beim richtigen Servicemitarbeiter rauszukommen. Ich lege auf und merke, dass der Anruf bis jetzt stolze 3€ gekostet hat. Also gut, nochmal. Ich wähle die Nummer aufs Neue und bin so schlau, sofort auf die zwei zu drücken, da ich genau weiß, dass ich die verschiedenen Auswahlmöglichkeiten sowieso nicht verstehen werde. Aber zu meinem Schreck werde ich nicht zu einem Servicemitarbeiter, der mir meine Frage beantworten könnte, weitergeleitet, sondern wieder zu einem Automaten, der mir die möglichen Kategorien und die dazugehörigen Nummern vorsagt. Ich bin wütend und lege auf. Wie kann man einem denn so das Geld aus der Tasche ziehen! Kein Wunder dass der Chef von TELCEL, dem mexikanischen Netzbetreiber einer der reichsten Menschen der Welt ist! Sauerei!

Also gut, noch ein letztes Mal. Ich habe sieben Minuten Zeit, denn nur noch 7€ Guthaben. Diesmal drücke ich sofort die vier und tatsächlich scheine ich an diesem Tag doch noch Glück zu haben. Es piept und Sekunden später (die natürlich gnadenlos abgerechnet werden) hebt eine Frau am anderen Ende ab: „Häläo, wirfkyke kdkeo xkdk dfkr fkyjsi häälp yäo?“ Obwohl ich kein Wort verstehe, schildere ich ihr unser Problem. Nach einer kurzen Pause sagt sie nur: „Schuud bä äokäi!“ Ich hake noch einmal nach und sie versetzt mich mit den Worten „Will bä bääg, pläs sdääi in laain!“ in einen musikalischen Singsang. Es waren ihre letzten Worte. Nach rund zwei Minuten, die sich wie zwei Stunden angefühlt haben, werde ich von einer lieben Stimme aus einem beinahe hypnotischen Schlaf geweckt. Es ist jedoch nicht die Frau aus Washington, die sich wahrscheinlich gerade einen Kaffee macht, während dieser mexikanische Milliardär weiterhin sein Konto vollgepumpt bekommt. Und das von mir! Es ist die Stimme aus den Tiefen meines Handys, die mir nur mitteilen möchte, dass soeben das Guthaben leer geworden ist. Ich klappe auf dem Bett zusammen und möchte nie wieder aufstehen. Das Leben ist ja so hart!

Am nächsten Tag, wir haben wieder Guthaben, probieren wir es erneut und bekommen wieder gesagt, dass es keine Probleme geben dürfte. Einer englischsprachigen Freundin in Deutschland, die so lieb ist, für uns nochmals anzurufen, wird erzählt, dass es nur dann geht, wenn wir während unserer Zeit in Kanada Nordamerika verlassen…

Es scheint uns wieder keiner eine Antwort geben zu können oder zu wollen und wenn ja, dann klingt es doch nur nach Halbwissen aus einem Bürokopf in Washington. So komme ich auf die Idee mit den Leuten zu sprechen, die nachher entscheiden, ob wir reinkommen oder nicht. Ich rufe bei der alaskanischen Grenze an und bekomme vom telefonierenden Beamten unmissverständlich gesagt, dass unser Plan nicht funktioniert und er uns so nicht nach Alaska lässt. Ein zweiter Anruf am nächsten Tag bestätigt den ersteren, sagt aber auch ganz offen, dass es natürlich Grenzbeamte gibt, die da ein Auge zudrücken und einem einfach neue 90 Tage geben. Aber eben nicht alle. Genau so habe ich mir das eben auch bereits gedacht. Die Regel besagt, dass man für 90 Tage in die USA ohne ein Visum einreisen darf und die 90 Tage anfangen abzulaufen, sobald man die USA betritt. Der Countdown hört erst auf, wenn man Nordamerika und die Karibik verlässt. Erst dann kann man neue 90 Tage bekommen. Allerdings gibt es wohlgesonnene Grenzer, die einem auch einfach so erneut 90 Tage geben. An so jemanden kann man gelangen, muss man aber nicht.

Da wir bereits einen Flug aus Alaska nach Island gebucht haben und Rebeccas Bruder nach Alaska kommen wird, um dort mit uns vier Wochen lang mit dem Kanu unterwegs zu sein, können wir nicht riskieren, nicht nach Alaska gelassen zu werden. Somit wird aus der USA-Durchquerung über Land nichts und wir tun das, wovor wir uns so sträuben. Wir buchen einen Flug von Mexiko-Stadt nach Vancouver. Es ist unglaublich schade, die USA nicht mitzubekommen, denn auch sie sollte eigentlich Teil der Reise werden und gerade in den USA verändert sich landschaftlich und kulturell so viel. Aber die USA hat in Nordamerika auch einfach eine sehr ungünstige Position, die es nicht nöglich macht, die USA zu umgehen, so wie es in fast jedem Land Asiens, Afrikas, Europas oder Südamerikas möglich wäre. Aber so ist es eben einmal, so ist das Reisen. Man muss flexibel bleiben, das Gute sehen, das annehmen was kommt. Und wenn man nicht in ein Land kann, aus welchen Gründen auch immer, muss man das eben akzeptieren. Auch wenn in mir die Frage aufkam, wie es denn sein kann, dass es Länder (bzw. Menschen) gibt, die anderen einfach die Einreise verwehren. Wir sind doch alle Menschen dieser Erde und warum sollte man sich gegenseitig verbieten, Teile derselben zu sehen? Das ergibt doch alles gar keinen Sinn… Aber das ist auch wieder eine andere Geschichte. (Wer einen kompletten Beitrag über diese Thematik möchte, meldet sich bitte in den Kommentaren. Den gibt es ab 10 Anfragen)

Zunächst dachten wir über den Alternativplan nach, in den Osten Kanadas zu fliegen, also Toronto oder Montreal und von dort aus in vier oder fünf Wochen in den Westen zu reisen. Doch nach einem Blick auf die Klimatabelle und das aktuelle Wetter, entschieden wir uns dann doch noch etwas länger in Mexiko zu bleiben und dann nach Vancouver zu fliegen. Im Osten des Landes hat es nämlich gerade Temperaturen zwischen null und minus zehn Grad tagsüber und zwischen minus zehn und minus 25 Grad nachts. Das ist uns dann doch zu kalt, um dauerhaft im Zelt zu schlafen und womöglich stundenlang an der Straße zu stehen.

Dies zur Berichterstattung zu unseren letzten Aktivitäten zu unseren kommenden Aktivitäten.

Viele liebe Grüße immer noch aus Bacalar in Mexiko.

Rebecca und Johann

(Johann)