Von Kolumbien nach Panama

Vielleicht ist dieser Blogbeitrag für viele gar nicht so interessant, da wir unsere Erfahrung mit der Erfahrung des sogenannten „Darién-Gap“ teilen werden. Ich versuche es daher so spannend wie möglich zu machen.

Wir hatten uns vorgenommen, einen eigenen Blogbeitrag zu diesem Thema zu machen, da wir damit auch an andere Reisende Informationen zu diesem kleinen Abenteuer geben möchten. Wir haben uns nämlich bereits Monate vorher zu diesem Thema totgegoogelt und sind auf viele verwirrende und auch falsche oder einfach nur alte Informationen gestoßen.

Der Darién Gap (nur für diejenigen, die es nicht wissen) ist das Gebiet, welches sich zwischen Kolumbien und Panama befindet, bzw. stellt der Darién Gap das gesamte Grenzgebiet der beiden Staaten dar. Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass es keine Straße hindurchgibt. Nichteinmal eine Piste. Nur undurchdringlichen Regenwald, der von Guerillakämpfern besiedelt wird. Es ist daher abzuraten, sich alleine durch dieses große Stück Wald zu kämpfen. Wir waren auch überrascht, dass die Panamericana, die von Südchile bis Alaska führt, unterbrochen wird. Alle die mit dem Auto kommen, müssen es verschiffen.

Es gibt eigentlich drei Möglichkeiten (mal abgesehen vom Laufen), dieses Stück Land zu umgehen.

Die erste und einfachste Möglichkeit ist ein Flug nach Panama-Stadt ab einer der kolumbianischen Großstädte. Zu dem Zeitpunkt unserer Recherche waren Flüge ab Cartagena am günstigsten. Man konnte noch recht kurzfristig Flüge mit der Fluggesellschaft „Wingo“ buchen. Die Preise lagen hierbei bei 95 US-Dollar pro Person ohne Gepäck und 115 Dollar mit Gepäck.

Die zweite Möglichkeit wäre, mit mehreren Booten auf der Pazifikseite bis nach Panama-Stadt zu fahren. Hierbei beginnt man ab der kolumbianischen Küstenstadt Buenaventura. Viel mehr haben wir darüber aber auch nicht rausfinden können.

Die dritte Möglichkeit ist im Prinzip die Atlantik-Version der zweiten Möglichkeit, für die wir uns entschieden haben.

Andere Quellen, die besagen, dass es immer noch eine Fähre von Cartagena (Kolumbien) nach Colón (Panama) gibt, stimmen nicht. Es gab zwar immer mal wieder Fährverbindungen zwischen den beiden Städten, die jedoch nach kurzer Zeit eingestellt wurden. Auch dsas kann sich aber jederzeit wieder ändern…

Unsere Entscheidung, die Atlantik-Version zu anzugehen hatte zum einen den Grund, dass wir nicht besonders Große Lust hatten zu fliegen, da wir das wie eine Unterbrechung unserer Reise gesehen hätten. Zum anderen wollten wir uns die auf dem Weg liegenden Karibikdörfer Capurganá, Sapzurro und La Miel anschauen. Fähren nach Capurganá, das ganz nah an der panamaischen Grenze liegt, fahren ab Turbo und Necoclí. Wir entschieden uns für das unaufgeräumte und umtriebige Turbo, wo wir die letzten Vorbereitungen trafen. Wir schliefen in einem günstigen Hotel direkt am Hafen in einem kleinen versifften Zimmer ohne Fenster. Am nächsten Morgen ging es dann los. Wir wurden mit Mototaxis (mit großen Rucksäcken hinten auf jeweils einem Motorrad sitzend) zum Hafen gefahren, ab dem die Schnellboote nach Capurganá abfahren. Wir hatten am Vortag bereits reserviert und so hatten wir unsere Plätze sicher. Der Preis für die ca. 90 Km. lange Fahrt lag bei 70.000 Kolumbianische Pesos pro Person (ca. 20€). Dabei sind 10 Kg. Gepäck frei, jedes weitere Kilo kostet 1.000 Pesos mehr. Der Preis für die Fahrt ist nicht verhandelbar und uns wurde auch kein Touristenspezialpreis gemacht. Allerdings ändert sich der Preis je nach Saison. Wenn mehr Leute mitfahren, zahlt man 60.000 COP (ca. 16,30€) pro Person. Nach einer Passkontrolle (und dem Zahlen der Hafengebühr von 3.000 COP (0,80€) pro Person) ging es dann los. Das Boot war relativ groß, modern und mit drei riesigen Außenbordmotoren ausgestattet. Nach fünf Minuten Fahrt wurden an einer Kontrollstelle alle Pässe eingesammelt, dabei werden mehrere Kubaner ohne kolumbische Aufenthaltsgenehmigung, die vermutlich zurück nach Kuba wollen, herausgefischt und zurück zum Hafen gebracht. Für uns ging es dann weiter. Das Boot, das Platz für etwa 60 Passagiere hatte, fuhr sehr schnell und von so manch Geschichte, die besagt, dass man bei der Fahrt absolut nass wird und einem Schläge in den Rücken versetzt werden, war auf unserer Fahrt keine Spur. Wir vermuten, dass es diese großen Schnellboote noch nicht so lange gibt. Wir hielten zwei oder drei mal, wobei immer wieder aus- und zugestiegen wurde. Nach rund 2,5 Stunden Fahrt kamen wir dann in Capurganá an und würden direkt von einem Hostelbesitzer überfallen, der uns zu seinem Hostel führte, wir uns dann aber entschieden in den Nachbarort Sapzurro zu laufen. Der vier Kilometer lange Weg mit 200 Höhenmetern nach Sapzurro ist gut ausgeschildert, ist aufgrund der feuchten Luft und der Hitze jedoch echt anstrengend. Vor allem mit großen Rucksäcken. Dafür wird man allerdings mit herumturnenden Brüllaffen in den Baumwipfeln, Kolibris und Tukanen belohnt. Kurz vor dem höchsten Punkt wird man zum Schutz des Waldes um 3.000 Pesos (0,90€) gebeten und bekommt dafür zur Erfrischung Schnitze der sehr sauren Sternfrucht angeboten. Auf dem höchsten Punkt gibt es einen Aussichtsturm, von dem man aus Sapzurro und Capurganá aus sehen kann.

In Sapzurro selbst gibt es einige Zeltplätze, wo man sein Zelt ab 10.000 Pesos (ca. 3€) pro Person pro Nacht aufstellen kann. Sapzurro ist sehr klein, ruhig und liegt in einer kleinen Bucht mit Sandstrand und einigen Kokospalmen. Es gibt mehrere kleine Läden und eine Bäckerei. Wir verbrachten drei Nächte dort. Man kann sich Schnorchelausrüstung leihen oder ins nahe gelegene panamaische La Miel laufen (1 Km.). Dazu muss man nicht nach Panama einreisen, jedoch trotzdem seinen Pass dabeihaben, der kurz beim Übergang kontrolliert wird. In La Miel werden dann für die Reinigung des Strandes (der angespülte Müll wird einfach vergraben) wieder 2.000 COP (0,50€) fällig. Der Ort sieht von oben sehr schäbig aus, ist aber ähnlich wie Sapzurro und hat einen sehr schönen Strand mit türkisfarbenem Karibikwasser, in das sich regelmäßig Pelikane stürzen um sich ihre Mahlzeit zu besorgen.

Um weiter nach Puerto Obaldía zu kommen, mussten wir wieder zurück nach Capurganá zurück und erneut entschieden wir uns für den Fußmarsch, denn die Fahrt mit dem Boot kostet natürlich wieder (10.000 Pesos pro Person). Vollkommen durchnässt kamen wir in Capurganá an. Das Wasser stand auf den Wegen im Ort rund 20 Zentimeter tief. Wir wurden unterwegs von einem heftigen Gewitter mit sintflutartigem Regen überrascht, der zwei Stunden anhielt. Alles war nass, auch in den Rucksäcken. Nach einigem Umhersuchen und Warten fanden wir ein Boot, dass nach Puerto Obaldía fuhr. Vorher mussten wir uns noch den Ausreisestempel in der kolumbianischen Migrationsbehörde holen, was allerdings nur dann funktioniert, wenn es nicht zu sehr bewölkt ist (wegen dem Signal). Die Fahrt kostete 35.000 COP (10 €) pro Kopf plus 1.000 COP pro Kilo Übergepäck (10 Kg. sind frei). Nach rund einer Stunde Fahrt, in einer Nussschale, wobei man ganz schön nass wird, kamen wir in Puerto Obaldia an. Zunächst wurde unser gesamtes Gepäck durchsucht. Alles. Dann mussten wir zur panamaischen Migrationsbehörde. Der Beamte wollte von uns zunächst eine Kopie des Passes haben (konnte man sich nebenan machen lassen). Kein Problem. Dann wollte er Bargeld sehen, und das nicht zu knapp. 500 US-Dollar pro Person. Wir hatten das vorher bereits gelesen, hatten aber auch gelesen, dass ein Kontoauszug ausreicht. Den hatten wir dabei. Bargeld nur so viel wie wir glaubten für die Weiterfahrt zu brauchen. Er wollte aber Bargeld sehen und meinte, dass die 140 US-Dollar, die wir pro Person dabei hatten, nicht ausreichen würden, um weiterzukommen. Er wollte Bargeld. Wir diskutierten hin und her und dann wollte er ein Ausreiseticket von uns sehen. Unser Problem Nummer zwei. Wir hatten keines. Wir wussten, dass wir eines vorlegen müssten, hatten aber gelesen, dass fast nie danach gefragt wird. Dann ging es wieder um’s Geld und nach einem langen Hin und Her gab er dann nach und drückte uns endlich diesen Stempel in die Pässe, wobei er meinte, dass wir nächstes mal das Bargeld dabeihaben müssten. „Jaja, nächstes mal ;)“, dachten wir uns nur. Das Ausreiseticket hatte er während der ganzen Diskussion zum Glück vergessen. Ein Ivorer, Edmund, der das gleiche Problem hatte, jedoch keinen Stempel bekam, musste nun an Geld kommen und auch wir versuchten noch etwas zu kriegen. Glücklicherweise gab es einen Mann im Ort, über den man sich Geld per Western-Union beschaffen konnte, wir jedoch nicht…

Die Nacht verbrachten wir mit vier Kanadiern, die in die andere Richtung unterwegs waren, unter einem Dach im Freien. Es war eine miese Nacht. Am folgenden Morgen suchten wir nach Möglichkeiten aus Puerto Obaldía mit dem Boot wegzukommen. Edmund hat sich bereits für einen Flug (ja, aus diesem Kaff gibt es Flüge nach Panama-Stadt) entschieden, als es dann auf einmal hieß, dass ein Boot zum Ablegen bereitstünde. Also packten wir die Sachen in Plastiktüten, ein Hund machte eine Drogenkontrolle mit dem Gepäck und dann ging es los. Wir drei und drei Fahrer. Die Männer wollten 100 Dollar pro Kopf. Das Boot war eigentlich nur ein kleines Motorboot von 10 Meter Länge und viel zu klein für die Strecke und die Wellen. Es war trüb und regnerisch. Das kleine Boot verschwand teilweise vollkommen zwischen den hohen Wellen, um dann über die nächste drüberzuschanzen. Der darauffolgende Aufschlag fuhr einem jedes mal vom Steißbein bis in den Kopf hoch. Dabei bekam man immer noch eine Ladung Salzwasser ins Gesicht, was schon nach kurzer Zeit zu brennenden Augen führte. Es war eine Qual. Dann wurde das Meer und damit auch die Fahrt ruhiger, da wir hinter eine Insel kamen. Nach zwei Stunden war die Fahrt für diesen Tag dann vorbei. Die Fahrer meinten, wir würden sowieso nicht mehr ankommen und könnten hier schlafen und essen. Für 7 Dollar bekamen wir pro Person unter, 3 Dollar mussten wir der indigenen Bevölkerung auf der Insel an Steuern zahlen und das Essen kostete nochmal 3,50 Dollar pro Person, wobei uns Edmund einlud, da wir beide das Essen boykottieren wollten. Auch aus finanziellen Gründen. Also im Prinzip hätten wir ohne Edmund keine andere Wahl gehabt, wir selbst hätten das Essen einfach nicht bezahlen können. Wir sind beide jetzt nicht wirklich schwierig was Essen angeht, zumal wir ziemlich Hunger hatten, wir hatten ja den ganzen Tag nichts gegessen und am Vortag nur etwas Reis, aber das war wirklich nicht besonders lecker. Es gab für jeden eine kleine Portion Reis und ein Stückchen Huhn, was grauenhaft nach Chlor geschmeckt hat. Naja, die Mägen hatten zumindest etwas zu tun.

Um sechs Uhr am nächsten Tag ging’s dann weiter. Die Wellen waren wie am Vortag, jedoch hatte ich so langsam rausgefunden, wann ich etwas aufstehen musste, damit es keine Schläge mehr in den Rücken gab. Das war zwar sehr anstrengend, aber angenehmer als alles andere. Die in der Mitte der Bank sitzende Rebecca konnte das nicht, da sie nicht sah, wann sich das Boot in der Luft befand, wollte jedoch mit mir auch nicht tauschen. Edmund saß auf der anderen Seite und rührte sich die ganze Fahrt über nicht. Er nahm die Schläge bis auf wenige Ausnahmen, in denen er kurz aufschrie, wortlos hin. Nach vier Stunden Fahrt legten wir auf einer Insel der San-Blas-Gruppe an und sollten Frühstücken. Diesmal boykottierten wir alle drei und beobachteten in der Zeit einen angeketteten Brüllaffen, der einen ganz komisch anschaute und Meeresschildkröten, die in einem Becken gehalten wurden. Nach weiteren eineinhalb Stunden der Fahrt kamen wir erneut an einer Insel an und wurden gebeten auszusteigen, denn wir seien nun in Cartí, dem abgesprochenen Ankunftshafen. Uns war allen klar dass das nicht stimmte und sagten den Fahrern, dass wir auf einer Insel sind und Cartí abgemacht war. Sie erzählten uns, dass sie dort nicht anlegen könnten und die Insel bereits zu Cartí gehöre. Dann stiegen wir aus und sie fuhren schnell weg, wobei sie ihre Schwimmwesten, die wir noch anhatten, vergaßen. Innerlich befriedigte mich das ein wenig. Dann mussten wir ein Boot auf die andere Seite bis nach Cartí nehmen, was nochmal 5 Dollar pro Person kostete. Dort angekommen luden wir unsere klatschnassen Rucksäcke (trotz Tüte) aus und zogen unsere mindestens genau so nassen Kleider aus. Schon gleich kam ein man auf uns zu, der uns dann zur Passkontrolle schickte und 20 Dollar pro Person an Steuern dafür wollte, dass wir die Gewässer um die San Blas-Inseln benutzten. Ich sah das echt nicht ein, da wir miterlebt hatten, wie das mit dem Abwasser auf den Inseln funktioniert. Naja also eigentlich gibt es kein Abwasser, sondern es wird direkt durch ein Loch ins Meer gemacht und Klopapier hinterhergeworfen. Dann geht man aus dem Häuschen raus und kann seiner Hinterlassenschaft hinterherwinken. Ich wäre bereit, die 20 Dollar zu zahlen, wenn ich wüsste, dass die Menschen dort das Wasser schützen und nicht verschmutzen. Zahlen mussten wir dann trotzdem. Jetzt waren wir pleite und als der Mann uns dann noch ganz frech sagte, dass wir noch jeweils 2 Dollar an Gebühr für den Hafen und die Sicherheit vor Ort (es war nur ein Anlegesteg mit ein paar Häusern dahinter) zu zahlen hätten, wurden wir auch frech und fragten wofür wir denn noch so alles zu zahlen hätten.

Wir wurden dann zu den Autos nach Panama-Stadt geführt und machten mit dem Fahrer aus, dass wir die viel zu überteuerten 25 Dollar pro Person vorerst nicht zahlen und dass wir ihn in Panama-Stadt, wenn wir abgehoben hätten, bezahlen könnten. Beim Einsteigen fragte er uns, ob wir das erste mal hier seien, worauf mir nichts anderes einfiel als zu sagen, dass es auch das letzte mal wäre.

Nach zwei Stunden kamen wir endlich in Panama-Stadt an. Wir bezahlten den Fahrer und suchten ein Hostel. Dann wuschen wir in einem Waschsalon in vier Maschinen endlich alle Kleidung und die Schlafsäcke, die nach drei Tagen der Nässe schier unriechbare Gerüche entwickelt hatten. Am Abend kochte Edmund für alle eine große Portion Reis und Gemüsecurry. Wir aßen riesige Portionen. Zu viel, denn ich bekam am Tag darauf Magenschmerzen, was sich dann als Magenschleimhautentzündung herausstellte. Wir verbrachten noch zwei weitere Tage in Panama-Stadt, bevor es weiterging.

Ach übrigens…das Auswärtige Amt schreibt auf seiner Seite dass man bei der Einreise nach Panama mit dem Boot eine Gebühr von 100-200 Dollar zahlen muss. Wir haben von niemandem gehört, der das zahlen musste und auch wir blieben davon zum Glück verschont.

Zu der ganzen Sache kann man sagen, dass es sich trotz der vielen negativen Dinge gelohnt hat. Wir haben den Darién-Gap geschafft und das über Land. Wir haben unsere Reise nicht durch einen Flug unterbrochen und haben zwar etwas mehr gezahlt als mit einem Flug, aber für die Erfahrung und die ganze Geschichte hat es sich gelohnt. Durch diese Fahrt haben wir einen neuen Freund gewonnen und hoffen, dass wir uns in Kanada wieder treffen, wo er arbeiten wird. Wir würden die Fahrt mit dem Boot wieder machen, jedoch mehr Bargeld dabeihaben, da man wirklich für alles zahlen muss und es dann auch bei der Einreise nach Panama weniger Schwierigkeiten gibt. Auch hätten wir unsere Rucksäcke lieber in zwei Tüten gepackt. Ach übrigens: Die Tüten gibt’s natürlich auch nicht umsonst, in Turbo wurden uns pro Tüte 2.000 COP (0,50€) abgeknöpft.

Macht es, aber bereitet euch besser vor. 😉

Liebe Grüße aus Panama,

Rebecca und Johann

(Johann)

Chao Südamerika

Wir müssen den Schritt jetzt machen, um unserem Ziel näherzukommen. Und wir wollen unserem Ziel endlich ein gutes Stück näherkommen.

Die Karibikstrände Kolumbiens sind unser letzter Halt bevor wir nach Mittelamerika kommen. Wir denken zurück an die Zeit, die wir jetzt unterwegs waren. Zehn Monate haben wir in Südamerika verbracht, haben sehr viele verschiedene Menschen, Lebensarten und Kulturen kennengelernt. Und immer wieder festgestellt, wie großartig der Planet Erde ist. An jeder Ecke hält er Überraschungen bereit, überall ist es ein bisschen anders. Er ist so reich an natürlichen Schätzen, dass man es manchmal kaum begreifen kann und nur staunend davorsteht. Von der Atlantikküste Uruguays über die nicht enden wollende Pampa Argentininens, bis ganz in den Süden, zu den schneebedeckten Bergen und glasklaren Seen. An unglaublich beeindruckenden Gletschern vorbei, durch das Bunt des Herbstes in einer überragend schönen Bergwelt, an Chiles immergrünen von bewaldeten Berghängen dominierten Fjorden entlang, sich langsam in den Norden vorarbeitend, bis sich schließlich die weite Atacamawüste vor einem erstreckt. Diese einzigartige Gegend, die Stille, die Sonnenuntergänge, den unendlichen Sternenhimmel in sich aufnehmen, die fast schon unwirkliche Berg- und Lagunenwelt auf dem Weg nach Bolivien erfahren, bis die Salzwüste wie ein riesiges Meer vor einem liegt. Durch das Hochland Boliviens mit seinen bunten Bergen, den paraguayischen Chaco in seiner Wildheit erfahren und durch das bolivianische Tiefland reisen, Kaimane, Affen und Wasserschweine in ihrer natürlichen Umgebung sehen. Und dann am Titikakasee entlang nach Peru einreisen, durch dessen Hochland bis an die wolkenverhangene Küste, in der wunderschönen Cordillera Blanca wandern, durch das Hinterland, durch Täler mit Mangos in Hülle und Fülle bis nach Ecuador. Durch grüne Hügel und Täler, an Vulkanen vorbei, in den Regenwald. Dessen Vielfalt erfahren. In Kolumbien durch verschlungenen, scheinbar unberührten Nebelwald, an bizarren einzelnen Bergketten vorbei, in grüne Canyons blicken und die türkisblaue Karibik, den Atlantik (wieder) erblicken. Die Erde ist wunderschön und kaum zu begreifen. Wir haben so viel gesehen und doch nur einen Bruchteil von dem, was es zu sehen gibt. Es verbergen sich so viele Wunder auf diesem Planeten, dass es einem Menschen nie möglich sein wird, alle zu entdecken und zu erleben.

Nun verlassen wir Südamerika, das uns so viele neue Eindrücke geschenkt hat, einen neuen Blick auf die Erde gegeben hat. Wir ziehen nicht weiter, weil wir glauben, alles gesehen zu haben, das werden wir wohl nie, sondern weil wir das Bedürfnis haben, weiterzukommen. Auch wenn es noch unglaublich viel zu entdecken gäbe.

Ich verspüre Dankbarkeit wenn ich zurückblicke auf unsere Zeit in Südamerika. Nicht nur für die Wunder der Natur, auch für die Menschen, denen wir begegnen durften, von denen wir so viel lernen und erfahren durften. Sie haben uns Kulturen nähergebracht, haben uns geholfen, unsere Horizonte zu erweitern. Natürlich sind wir nicht immer nur freundlichen Menschen begegnet. Auch haben wir immer wieder den Neid in den Worten gehört, wenn es um Reisen und Geld ging. Man hat uns spüren lassen, dass wir in den Augen vieler unglaublich reich sind. Das ist meistens unangenehm. Und doch haben auch diese Erfahrungen uns geholfen. Wir haben keine einzige richtig schlechte Erfahrung mit Menschen gemacht, dass man versucht hätte uns um etwas zu erleichtern oder uns etwas hätte antun wollen. Und es überwiegen die guten Erfahrungen an all die lieben Menschen, die uns mitgenommen, ihr Essen mit uns geteilt oder uns sogar bei sich Zuhause aufgenommen haben. Einmal wurden wir gefragt, was uns auf unserer Reise am meisten überrascht und gefallen hätte. „Die Menschen“ antworten wir. Die vielen herzensguten und liebenswürdigen Menschen, die uns willkommen geheißen haben und die wir hoffentlich eines Tages bei uns willkommen heißen können, genauso wie sie es mit uns getan haben. Die Offenheit, die Warmherzigkeit dieser Menschen wird uns immer im Gedächtnis bleiben und Vorbild sein für unser handeln.

Was wir aus Südamerika mitnehmen ist vielfältig, wir gehen mit einem tiefen Eindruck von Natur und Menschen und freuen uns auf das was uns in Mittelamerika erwartet. Ob wir zurückkommen werden? Ich weiß es nicht. Im Moment sind wir noch auf dieser Reise, die ihr Ziel nächstes Jahr im Sommer in Alaska finden soll. Dann sehen wir weiter.

In diesem Sinne: Chao Südamerika und danke für alles!

Johann und Rebecca

(Rebecca)

Fazit Kolumbien

Ein Fazit ist wahrscheinlich immer ein bisschen trocken zu lesen, weil sie nicht so richtig von unseren Erlebnissen berichten. Dennoch möchten wir sie gerne schreiben, auch für uns, damit wir kleine Zusammenfassungen von den Ländern haben, die wir bereisen durften. Und wir hoffen, euch dadurch auch einen kleinen Eindruck geben zu können, was Landschaft, Kultur und Menschen betrifft.

Kolumbien ist ein reiches Land. Das haben uns auch die Einheimischen immer wieder gesagt. Es ist ein Land voller Natur. Fast alles ist hier zu finden: Berge, weite Ebenen, Regenwald, glasklare Flüsse, Meer und Strände, ja sogar eine kleine Wüste. Die natürlichen Gegebenheiten erlauben natürlich auch eine reiche Tier- und Pflanzenwelt. Und auch archäologische Stätten hat Kolumbien zu bieten. Was uns auf unserem Weg durch das Land immer wieder beeindruckt ist das viele Grün. Alles ist grün. Es gibt so viel Wald – natürlichen Wald – wie wir es lange nicht mehr gesehen haben. Berge, Täler, ja sogar kleine Canyons sind bewaldet – ein unglaublich schönes Bild, an dem wir uns jedes Mal aufs Neue erfreuen. Die Wiesen auf denen die Tiere gehalten werden sind groß und strotzen vor saftigem Gras. Außerdem sind die Tiere hier meistens wieder unangebunden. Auf dem Weg nach Turbo erstreckt sich rechts und links von uns, als wir die Hügel verlassen, eine weite Ebene. Immer wieder schöne Weiden mit Bäumen und Bächen. Und dann kommen irgendwann die Guanabana-, Ananas- und Bananenplantagen. Bananenstauden, so weit das Auge reicht. Unglaublich beeindruckend. Und dann ist man irgendwann an der Karibik…

So vielseitig wie die Natur ist auch die Bevölkerung Kolumbiens. Indigene, Mestizen (so werden Menschen genannt, die Nachfahren von Indigenen und Spaniern sind), Menschen mit europäischen Wurzeln und Afrokolumbianer, die insbesondere an der Küste zuhause sind. Alle leben gemeinsam in diesem Land das so groß wie Frankreich, Spanien und Portugal zusammen ist. Wo man auch hingeht, man wird freundlich empfangen und willkommen geheißen. Die Menschen sind nett und offen, jedoch auch vorsichtig, wie wir beim Trampen erleben. Wir haben zwar nie sehr lange gewartet, jedoch hatten wir das Gefühl, die meisten Menschen hielten aus Angst nicht. Und es passierte uns zweimal, dass diejenigen die hielten sagten, sie führen nicht so weit, sie könnten uns nur ein kleines Stück mitnehmen. So zum Beispiel die beiden, die uns dann doch über 200 Km. bis nach Turbo gebracht haben. Sie schienen ersteinmal testen zu wollen, ob sie uns länger mitnehmen wollen, bevor sie uns zu viel versprachen. Oft fuhren wir in guten neuen Fahrzeugen mit. Wir lernten sehr freundliche Menschen auf unseren Fahrten kennen, es war genau so, wie uns die meisten von Kolumbien vorgeschwärmt hatten. Auf der Straße wurden wir hier manchmal jedoch leider wieder, wenn man uns fragte woher wir denn kämen, mit Hitler assoziiert.

So reich Kolumbien landschaftlich und auch dank der liebenswürdigen Einwohner ist, so arm sind Teile derselben. In kaum einem Land waren die Armenviertel so deutlich zu erkennen wie in Kolumbien. Mitten in der Stadt drückten sich an Flussläufen, an Berghängen oder in schmalen Tälern eine Reihe kleiner, aus Holzlatten oder Blechplatten zusammengezimmerter Hütten aneinander. Teilweise irgendwo inmitten der Stadt. Ein Drittel der kolumbianischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, lesen wir. Der Reichtum, der Aufschwung des Landes kommt bei den Ärmsten (noch) nicht an. Gleichzeitig sieht sich auch der kolumbianische Staat mit der Aufgabe konfrontiert, die aus Venezuela fliehenden Menschen aufzunehmen, bzw. weiterzulassen. In Bussen treffen wir Venezoelaner, manche verkaufen Süßigkeiten, um sich ihren Lebensunterhalt bzw. die Weiterreise zu ermöglichen, andere sieht man am Straßenrand, zu Fuß auf den Weg in ein besseres Leben, wieder andere reisen in großen Gruppen auf LKWs mit. Ob sie heimlich draufgeklettert sind oder ob es abgesprochen ist, wissen wir nicht. Viel anderes bleibt ihnen aber auch nicht übrig, denn die Buspreise sind im Vergleich zu anderen Ländern oder auch zum Einkommen der Menschen sehr hoch. Und Trampen ist für Südamerikaner in Südamerika schwieriger als es für uns ist. Sie werden oft nicht gerne mitgenommen, aus Angst, sie könnten etwas Böses im Schilde führen. Auch uns sagt einer, der uns mitnimmt, dass er für Landsleute nicht anhielte. Denen vertraue er zu wenig. Und auch Kolumbianer, die wir auf unserer Reise getroffen haben, erzählen uns, dass es für sie im Prinzip unmöglich ist, zu trampen.

Die Ein- und Ausreise ist recht unkompliziert, erfordert auf dem Landweg nur womöglich viel Geduld, da zurzeit viele venezoelanische Geflüchtete die Grenze überqueren.

Noch kurz zu den Preisen: Lebensmittel sind zum Teil etwas teurer als in Deutschland, abgesehen von Früchten und Gemüse. Auch Brot ist beim Bäcker etwas günstiger, allerdings kann man auch hier nicht so richtig von Brot sprechen, denn dieses ist meist weich, ohne Rinde und gesüßt, auch wenn es z.B. mit Käse gefüllt ist. Essen gehen ist allerdings auch hier sehr viel günstiger als bei uns, sodass man ein Menü oft für 2-3€ bekommt. Dieses ist meist sehr lecker und von der Portion genau richtig.

In Kolumbien ist Polizei und Militär häufig und an vielen Orten vertreten. Passiert man eine Regionalgrenze stehen dort meist etwa drei bis vier junge Männer (manche nicht älter als wir) auf beiden Straßenseiten, mit Maschinengewehren im Anschlag, für uns jedes Mal ein beunruhigendes Gefühl. Einmal fragen wir unseren Fahrer warum sie dastünden, ob es unsicher sei. Doch er meinte nein, es wäre eben so. „Da muss nur ein Verrückter dabei sein oder einer vorbeikommen, der einem Soldaten das Gewehr entreißt.“, schießt uns bei dem Anblick immer wieder durch den Kopf. Und nach unserer Erfahrung die wir eines Nachts in Bogotá machen, haben wir auch in die Polizei kein großes Vertrauen. Dazu ein Tagebucheintrag:

Mitten in der Nacht wache ich auf, weil ich jemanden weinen höre. Ich sehe aus dem Fenster. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lehnt eine junge Frau an einer Hosteltür. Sie weint und hämmert mit der Faust immer wieder dagegen. Ich bin erleichtert, als zwei Polizisten mit einem Motorrad bei ihr halten. „Jetzt wird ihr geholfen.“, denke ich. Doch die Polizisten helfen ihr nicht. Einer steigt vom Motorrad, zieht sie von der Tür weg. Sie wehrt sich. Er zieht an ihrer Tasche, reißt sie erneut vom Hauseingang weg. Sie steht mit der Stirn an die Hauswand gelehnt. Der Polizist zieht sie nochmal weg und als sie sich wehrt, lässt er los. Sie schlägt der Länge nach auf den Boden. Doch der Polizist zu dem anderen aufs Motorrad und sie fahren davon. Die Frau lassen sie liegen. Sie rappelt sich auf und ruft ihnen weinend und mit bebender Stimme Schimpfworte auf Spanisch hinterher. Wieder beginnt sie gegen die Tür zu hämmern und sinkt bald darauf schluchzend neben dem Hauseingang zusammen. Sie scheint nicht zu merken wie sich die Tür öffnet und zwei Männer herauskommen. Von unserem Fenster aus kann ich beobachten, wie sie ratlos hinter der Frau stehen bleiben, sie kurz beobachten und miteinander sprechen. Dann geht der eine in die andere Richtung davon, der andere Mann schließt die Tür. Keiner hilft der verzweifelten Frau. Ich stehe auf und mache mich auf den Weg nach unten. Gerade trete ich ins Freie, da steht der Nachtwächter hinter mir. Ich erkläre ihm, dass ich die Frau fragen will was mit ihr los ist und ob ich ihr helfen kann, doch der Mann sagt das könne ich nicht machen, ich wüsste nicht was sie genommen hat. Als ich mich wieder zu ihr umdrehe, ist sie schon ein Stück die Straße hinuntergelaufen. Sie geht unsicher, als hätte sie getrunken. Auch ich helfe ihr nicht… „Sie ist schon zu weit weg“, rede ich mir ein. Ich gehe wieder auf unser Zimmer. Johann hat beobachtet, wie die junge Frau sich in einen anderen Hauseingang gesetzt hat. Ein junges Pärchen spricht sie an, geht dann weiter. Wenig später ist die Frau verschwunden. Ich hoffe, sie ist gut irgendwo angekommen…

Wir sind in Kolumbien lange nicht so viel gereist wie es dieses Land verdient hätte. Es gäbe noch so viel mehr zu sehen. Die Karibikküste, Cartagena, die schönste Stadt Kolumbiens (die wir trotz wärmsten Empfehlungen nicht besucht haben) die Pazifikküste, der Regenwald. Weite Teile des Landes. Warum sind wir schon so früh, nach nicht einmal einem Monat weitergegangen? Wir wollen diesen Schritt jetzt hinter uns bringen, wollen Südamerika hinter uns lassen und unserem Ziel ein bisschen näher kommen.

Doch Kolumbien ist auf jeden Fall eine Reise wert, es hat landschaftlich und kulturell jede Menge zu bieten. Man könnte mehrere Monate und Jahre hier unterwegs sein, ohne alles zu kennen. Es empfängt Reisende mit offenen Armen, die Menschen sind zuvorkommend und freundlich und egal was man möchte, Strand, Berge, Regenwald, Großstädte. In Kolumbien gibt es alles, jeder kommt hier auf seine Kosten.

Jetzt sind wir bereits in Panama und grüßen euch von hier ganz herzlich,

Johann und Rebecca

(Rebecca)

Zwischen Gewalt und Frieden

Wir verbringen noch zwei Tage in Bogotá. Leider haben wir über Couchsurfing von niemandem eine Zusage erhalten und gehen deshalb in ein Hostel. Tatsächlich ist es auf Couchsurfing (wie auch auf Workaway) gar nicht so einfach, jemanden zu finden, der einem zusagt. Meistens schreiben wir so 7-15 Personen auf einmal an und sind froh, wenn wir überhaupt Rückmeldungen bekommen, meistens antwortet mindestens die Hälfte nämlich sowieso nicht. Wir müssen so viele Personen gleichzeitig anfragen damit wir wenn es gut läuft zumindest eine positive Antwort bekommen (bisher ist es trotz der hohen Anzahl der Leute die wir anschreiben noch nie dazu gekommen, dass wir mehr als zwei Zusagen bekommen haben). Deshalb haben wir uns inzwischen doch verifizieren lassen, denn ohne Verifizierung kann man pro Woche höchstens zehn Personen anfragen, mit Verifizierung so viele wie man will.

Insgesamt wechseln wir in Bogotá zweimal das Hostel, bis wir in einem günstigen mit freundlichen Mitarbeitern landen. Die nahegelegene Salzkathedrale, eine unterirdische Kirche in einem Salzstollen, wollen wir inbedingt besuchen. Allerdings ist der Eintrittspreis, als wir im Internet nachsehen doppelt so hoch als der, der in unserem Buch steht und wir entscheiden uns doch gegen einen Besuch. Stattdessen wollen wir zum Aussichtspunkt auf dem Montserrate, dem Hausberg Bogotás. Eine Gondel und ein Minizug fahren nach oben, die Schlangen dafür sind immens. Schon mit Wolfram wollten wir nach oben und standen schon in der Schlange als wir feststellten, dass sie wohl doch länger war als befürchtet und kurzerhand unsere Tickets wieder zurückgaben. Im Gegensatz zu der Schlange an diesem Tag war jene ein Klacks. Wir machen uns also zu Fuß auf den Weg nach oben, allerdings nicht alleine. Inmitten einer Horde anderer, vor allem Einheimischer, die sonntags zur Kirche oben pilgern, machen wir uns auf den Weg. So viele wie hochlaufen kommen auch runter. Der Weg ist voll schwitzender, schnaufender Menschen. Dazu gesellt sich das Rufen von Leuten, die am Wegesrand heiß ersehnte Erfrischungsgetränke, Früchte, Süßzeug, Mittagessen oder christlichen Schmuck verkaufen, Geldgeklimper von bettelnden Menschen, Gesang anderer und laute Raeggetón-Musik Jugendlicher, die mit ihren Boxen in der Hand alles um sich herum beschallen. Eine 2 Km. lange Schlange, schlängelt sich langsam den Berg hinauf. Die Kirche und der ganze Platz oben ist brechend voll, der Gottesdienst ist über Lautsprecher auch draußen mitzuverfolgen. Menschen werfen Geldstücke in einen Wunschbrunnen, essen ihr Mittagessen, machen Selfies vor der Stadt, die am Horizont in einer Smogschicht verschwindet.

Wir sind froh, als wir Bogotá verlassen. Die Stadt ist riesig, Hostels empfehlen einem, das touristische Zentrum nicht zu verlassen, Menschen wühlen in Haufen von Müllsäcken nach Resten von Ess- oder Brauchbaren, immer wieder wird man auf der Straße angesprochen und gebeten, etwas von seinem Reichtum abzugeben. Wieder nehmen wir einen Bus, um die Stadt zu verlassen. Die angenehmen Temperaturen des auf 2500 M.ü.M. gelegenen Bogotá sind schlagartig vorbei als wir in dem heißen La Vega, 70 Km. weiter austeigen. Doch schon nach etwa 20 Minuten hält ein Auto. Wir steigen zu einem Schönheitschirurgen, dessen Lippen verdächtig voll und straff aussehen und zu einer Frau ein. Wie die beiden zueinander stehen, können wir durch bloßes Beobachten nicht herausfinden, denn nachdem sie uns zum Mittagessen eingeladen haben setzt er sie an einer Modellwohnung ab, die sie sich für ihn ansehen soll, während wir den Ort zu seiner Finca verlassen. Dort erwartet uns schon seine bestimmt 20 Jahre jüngere Geliebte und die Familie, die sich für ihn um seine Finca kümmert. Das Grundstück ist nicht riesig hat aber allerlei zu bieten: es ist alles voll Bananenstauden, die Familie hat einen kleinen Gemüsegarten angelegt, im Schatten der Bananen wachsen Kartoffeln, Kürbisse und anderes Gemüse. Hasen, Truthähne, Gänse und Hühner haben ihre Gehege, drei Ziegen sowie eine Kuh sind an Pflöcken angebunden. Außerem ist die Aussicht grandios. Man sieht auf bewaldete Täler und Hügel, einzelne Fincas mit Bananenstauden und Kaffeesträuchern. Als Max abfährt, lässt er sich noch den Yucca einpacken, der den vielen Regen überstanden hat (der Familie bleiben nur ein paar kleine verkümmerte Wurzeln), beide fertigen Salate, eine ordentliche Menge Kohl, und einen Strauch Bananen. Wir dürfen die Nacht mit unserem Zelt hier verbringen und der Familienvater ebnet uns ein Stück der Wiese, obwohl es gut möglich gewesen wäre so zu zelten. Die vier Kinder sehen mit großen Augen zu, wie wir unser Zelt aufstellen. Später begleiten wir sie über die Finca. Sie haben riesige Freude daran, den Hühnern und Gänsen in den Gehegen nachzujagen und sie einzufangen. In Todesangst rennen die armen Tiere immer wieder von dem einen in das andere Eck, bis die Kinder keine Lust mehr haben. Nachher geht es dann auch tatsächlich einem Hahn an den Kragen. Der älteste fängt ihn ein, er wird mit einem Fuß angebunden, damit er nicht davonläuft, während in der Küche alles vorbereitet wird. Eine der Zwillingsschwestern bringt ihm noch eine Hand voll Maiskörner, die es jedoch nicht mehr in seinen Magen schaffen, denn wenig später wird er mit dem Kopf auf den Boden gelegt, ein Stück Holz auf dem Hals. Die Mutter stellt sich rechts und links des Hales auf den Stock und zieht den Hahn nach oben, bis es ihm das Genick bricht. Nur wenig später kocht er schon in der Suppe. In zerfetzten Büchern, auf dem Boden oder auf dem Tisch hockend erledigen die Kinder ihre Hausaufgaben, während die Suppe kocht. Nach dem Essen unterhalten wir uns noch mit den Eltern, die Kinder verziehen sich nach und nach in ihre Betten. 40.000 COP (Kolumbianische Peso) verdient der Vater am Tag, umgerechnet sind das etwa 11,20€. Die Familie lebt erst seit 5 Monaten hier. Im Prinzip haben sie kein festes Zuhause. Immer wieder müssen sie ihre Sachen packen und weiterziehen. Ein Leben ohne Zuhause und ohne Sicherheit. Überlegt Max es sich anders, müssen sie die Finca wieder verlassen. Wie so oft, sich ein neues Zuhause suchen. Auf Zeit.

Am nächsten Morgen sind die Kinder schon auf ihrem einstündigen Fußmarsch in die Schule, als wir uns verabschieden. Eine Stunde später stehen wir an der Straße. Nach etwa drei Minuten hält ein Auto und wir werden von einem freundlichen jungen Mann, der noch 14 Stunden Autofahrt vor sich hat, mitgenommen. Dafür stehen wir an der nächsten Stelle ein paar Stunden. Hier ist es wieder heiß und schwül und als wir dann bis in den nächsten Ort mitgenommen werden, wünschen wir uns nichts mehr als eine nicht allzu heiße Nacht und eine kalte Dusche. Wir entscheiden uns gegen unser Zelt und für ein Zimmer.

Da wir über Couchsurfing verabredet sind müssen wir am nächsten Tag nach drei Stunden des Wartens einen Bus für das letzte Stück bis Medellín nehmen. Insgesamt vier Tage und fünf Nächte verbringen wir in der Stadt. Wir sind bei „Freunden“ (hier wird man sehr schnell als Freund bezeichnet, manchmal auch, wenn man nur auf der Straße auf einen wildfremden Menschen trifft) untergebracht. Dachten wir jedenfalls. Wir haben José gefragt, ob wir bei ihm für zwei Nächte übernachten könnten. Ihn selbst haben wir im Norden Chiles mit seiner Freundin beim Trampen kennengelernt und er hatte uns damals in Medellín willkommen geheißen. Aus irgendeinem Grund hatte er uns jetzt aber nicht bei sich oder seiner Freundin untergebracht, sondern bei seiner Schwester (Camila) und seinem Bruder. Am nächsten Tag wolle er mit uns zur Comuna 13 gehen, hatte er uns gesagt, er würde „en la tarde“ nach Hause kommen. Nun, wir mussten mal wieder feststellen, dass „en la tarde“ alles heißen kann. Von 12:00 Uhr mittags bis es dunkel wird. Wir sitzen also und warten, dass er kommt. Währedeessen suchen wir Projekte über Workaway, wo wir Weihnachten verbringen wollen. Um 17:30 Uhr kommt José dann. Für die Comuna 13 ist es zu spät, er nimmt uns mit zu seinen Tanten und seiner Oma. In ihrem Haus verbringen wir den Abend, sprechen über das Reisen, Politik und das Schulsystem und bekommen die selbstgemalten Bilder der 97 jährigen Oma gezeigt. José unterhält sich kaum mit uns und geht schnell wieder. Am nächsten Tag gehen wir alleine nach Medellín, fahren mit der Metro umher, die Bahnen, Busse und Gondeln umfasst. Dies verschafft uns einen wunderbaren Überblick über die Stadt. Von der Bahn steigt man ohne nochmal extra zahlen zu müssen in die Gondel, die über die ärmeren bis slumartigen Teile der Stadt hinwegschwebt. Mit Wellblech gedeckte unverputzte rote Ziegelhäuser drängen sich dicht aneinander, schieben sich den Hang hinauf. Die Wäsche wird auf den Dächern getrocknet, die Menschen scheinen kaum Platz zu haben in ihren Häusern. Der Fluss, der durch die Stadt fließt, ist dreckig, Müllhaufen liegen darin, werden durch den Müll, der angespült wird, immer größer. An einer anderen Stelle fahren wir direkt über ein Elendsviertel hinweg. Die Häuser sind aus Holzlatten zusammengezimmert, Hunde streunen herum. Es ist ein Bild des Leids. Da sitzen wir ganz behütet und gemütlich oben in der hochmodernen Seilbahn, während unten die Menschen ums bloße Überleben kämpfen. Von Camila wird die Metro hoch gelobt. Sie sei der Grund, dass sich auch in der Gesellschaft etwas ändere. Durch die neuen öffentlichen Plätze würde ein Bewusstsein für Ordnung entstehen, sodass nicht nur sie, sondern auch andere Orte saubergehalten werden. Es würde die Einstellung der Menschen komplett ändern. Irgendwie frage ich mich jedoch, wieviel die Metro den Menschen in den Elendsvierteln bringt. Natürlich würden sie mit der Gondel und der Bahn zur Arbeit kommen, aber die insgesamt 1,40€ für die Fahrt werden sie doch kaum bezahlen können. Schafft ein solches Millionenprojekt nicht einen noch größeren Abstand zwischen den Ärmsten und den Anderen, ein noch größeres Gefühl von Ungerechtigkeit? Mit jeder Gondel, die einem durch das Blickfeld zieht wird einem doch vor Augen geführt, zu was der Staat in der Lage ist, was er für einen selbst nicht tut, was andere haben und man selbst nicht.

Wir werden gefragt ob wir nicht noch bleiben wollen, eigentlich wollten wir nach drei Nächten allerspätestens weiter, doch Camila und ihre Mutter wollen uns gerne zum Trinken einer heißen Schokolade (das wird hier extrem viel getrunken) einladen. Wir wissen allerdings den Tag über, solange wir auf den Ausflug warten, nicht so richtig was mit uns anzufangen. Wir wissen nicht, wo noch hingehen in Medellín und haben eigentlich auch genug von Stadt. Erst als es schon dunkel ist geht es los. Milena, Josés Freundin, hatte uns außerdem eingeladen mit zu der Geburtstagsparty zu ihrer Freundin zu gehen. Sie gehen jedoch ohne uns Bescheid zu sagen, obwohl wir die ganze Zeit da sind. Irgendwie sind wir enttäuscht. Wir hatten uns die Zeit mit den beiden ganz anders vorgestellt. Nicht dass wir von ihnen erwartet hätten mit uns jeden Tag etwas zu unternehmen, dass sie nicht jeden Tag Zeit haben ist ja ganz klar. Wir haben nur das Gefühl, dass sie eigentlich keine große Lust auf uns haben. Mit der Schwester Camila verbringen wir hingegen eine sehr schöne Zeit, sie redet viel mit uns, lädt uns gemeinsam mit ihrer Mutter zu heißer Schokolade ein und macht am nächsten Tag auch noch eine Rundfahrt mit uns mit dem Auto durch die Stadt. Wir schauen von einem Aussichtspunkt auf die Stadt, die kein Ende zu nehmen scheint. Sie fährt mit uns in das Partyviertel, zeigt uns Studentenplätze, wo man sich abends noch zu einem Bier treffen kann ohne es gleich mit der Polizei zu tun zu bekommen (öffentlicher Konsum von Alkohol ist eigentlich untersagt). Unterwegs sehen wir außerdem einen unbemannten Miniheißluftballon. Die Leute bauen sie sich selbst, erzählt uns Camila. Das Steigenlassen der Ballons ist jedoch eigentlich untersagt, denn sie können nicht gesteuert werden und setzten wohl des öfteren, wenn sie irgendwann abstürzen, größere Flächen in Brand. Sie lacht viel und es macht großen Spaß, sich mit ihr zu unterhalten. Doch am nächsten Tag wollen wir nun sicher weiter. Wir haben mehr Zeit hier verbracht als wir eigentlich vorhatten, dabei hat uns die Stadt an sich nicht so richtig gut gefallen. Wir tun uns manchmal eben doch sehr schwer mit großen Städten und vielen Menschen. Traurig stellt Milena fest, dass Medellín für uns nur eine weitere von vielen Großstädten auf unserer Reise ist. Natürlich hat jede Stadt ihre Besonderheiten, doch oft sind wir froh die Städte, die vielen Menschen, die Hektik, den Lärm und die Armut, die sich hier besonders zeigt, hinter uns lassen zu können.

Medellín, die früher als eine der gefährlichsten Städte der Welt galt (Drogenszene und der hohen Kriminalität) hat aber noch eine ganz große Besonderheit: die „Comuna 13“, einen Bezirk Medellíns, der lange für Armut und Gewalt berühmt war. Heute ist es ein Ort des Tourismus‘. Nirgends in der Stadt sind wir auf andere Touristen gestoßen, doch hier sind sie. Wie alle ärmlichen Viertel ist auch dieses den Hang hinaufgebaut, die Straßen sind oft extrem steil. Vor einigen Jahren wurde eine Rolltreppe in dem Bezirk gebaut, die von Touristen und Einheimischen genutzt wird. Nun kann man sich auf diesem Streifen gefahrlos bewegen. Wunderschöne Graffitis schmücken die Wände rechts und links der Touristenpfade, Leute verkaufen Kunsthandwerk, Eis oder Getränke, Jugendliche tanzen Break Dance. Es sieht ganz so aus als hätte die Comuna die schlimmsten Zeiten überstanden, als ginge es mit großen Schritten bergauf. Die Graffitis, die ganze Kunst- und Kulturszene wurde von Helfern angestoßen, um die Jugendlichen auf andere Gedanken zu bringen statt Gewalt und Kriminalität. Und doch ist es lange nicht ganz vorbei. José und Milena, die diesen Ausflug schon einen Tag nach unserer Ankunft mit uns machen wollten und uns jetzt begleiten, erzählen uns, dass es mit der Gewalt noch lange nicht vorbei ist. Sie ist nicht mehr offensichtlich, ist abgetaucht, doch Banden treiben noch immer ihr Unwesen und außerhalb des Touristenweges wird es nicht empfohlen sich zu bewegen. Weil es zu gefährlich ist. „Das ist wahrscheinlich der einzige Slum der Welt, der ein Touristenziel darstellt.“, sagt Johann als wir den Ort verlassen. Wir haben gemischte Gefühle, was die „Comuna 13“, bzw. das was aus ihr gemacht wurde, betrifft. Es ist ein bisschen wie in einem Zoo. Man geht hindurch, schaut sich auf sauberen Wegchen entlanglaufend alles in Ruhe an, ohne zu wissen, wie es auf der anderen Seite wirklich zugeht. Ab und zu bleibt man an einem passenden Motiv stehen und schießt ein Foto. Die Gefahren, denen die Menschen rundherum ausgesetzt ist, spürt man nicht, ihre tägliche Sorge um Nahrung, wie sie die nächste Zeit schaffen sollen, ob alle aus der Familie abends wieder nach Hause kommen. Von alldem spürt man nichts, wenn man durch den touristischen Teil der Siedlung läuft. Die Graffitis, die fröhlichen Jugendlichen und die Verkäufer lassen einen denken, die Zeit der Gewalt sei vorbei. Doch das was sich eigentlich hier immer noch abspielt, geschieht ganz im Verborgenen.

Mal wieder mit dem Bus verlassen wir die Stadt nach Santa Fe de Antioquia. Und werden dort aufs Äußerste überrascht. Uns wurde gesagt, dass es ein schöner Ort ist aber wir hätten trotzdem nicht mit einem so schönen Ort gerechnet. Dazu muss man sagen, dass wir uns nur den alten Teil des Ortes angesehen haben. Eine Stadt ist es eigentlich nicht. Dazu ist es zu klein. Es ist einfach ein sehr schöner Ort, von Kolonialarchitektur geprägt. Der Platz ist wunderschön grün mit einem großen Springbrunnen, hinter der Kirche sieht man auf die grünen Hügel, die den Ort umgeben. Holzschilder weisen darauf hin, was im Innern geboten wird, enge Pflastersträßchen führen zwischen kleinen einstöckigen Häusern mit bunt bemalten Fensterläden hindurch. Immer wieder gibt es kleine grüne Plätzchen mit kleinen Marktständen, Mauern werden von bunten Blumen geziert. Wir schlendern einfach ein bisschen durch Santa Fe, genießen die Entspannung nach der Großstadt, die uns unweigerlich überkommt.

Am nächsten Tag stehen wir früh an der Straße. Nach etwa 45 Minuten hält ein Auto. Wir haben unglaubliches Glück. Die beiden Männer nehmen uns bis kurz vor Turbo mit, der Stadt, von der aus die Reise mit dem Boot beginnt. Doch dazu demnächst mehr. Noch bevor es wieder heiß wird sitzen wir in ihrem Auto. Es geht an bewaldeten Hügeln entlang mit Blick auf wunderschöne Täler. Langsam geht es immer weiter runter. Kurz bevor wir die Ebene erreichen deuten die beiden nach rechts auf eine Siedlung. Es ist eine der ehemaligen Guerillagruppe FARC. Hier haben sie sich nun ihre eigene, friedliche Existenz aufgebaut. Es ist eine Siedlung des Friedens, sagen uns die beiden. Ein großes Stück des Gebietes das wir durchfahren war jahrelang von den FARC besetzt und kontrolliert, wird uns erzählt. Immer wieder gab es Überfälle, immer wieder starben Menschen. Man begab sich in größte Gefahr, wenn man dieses Gebiet durchquerte. Heute ist es sicher hier und doch ist der Konflikt noch nicht vorbei. Seit den Präsidentschaftswahlen diesen Jahres bewaffnen sich ehemalige Kämpfer wieder neu aufgrund der Drohung des neuen Präsidenten, den Friedensvertrag aufzukündigen. Er will einen neuen Vertrag mit den FARC, insbesondere soll er eine strenge Regelung was den Umgang mit ehemaligen Kämpfern betrifft beinhalten. Wie auch schon in Medellín habe ich das Gefühl, dass die Gewalt noch lange nicht vorbei ist, dass noch immer viele tagtäglich mit ihr leben müssen. Und gleichzeitig sind die Schritte hin zum Frieden und die Friedfertigkeit in der Gesellschaft kaum zu übersehen. Es ist ein Land, eine Gesellschaft zwischen Gewalt und Frieden.

Liebe Grüße von der Karibik,

Johann und Rebecca

(Rebecca)

Zwei Wochen zu dritt

Ganz in der Nähe unseres Gastgebers in Quito treffen wir morgens auf Wolfram, meinen Vater. Seit ganzen neun Monaten mal wieder ein bekanntes Gesicht zu sehen tut irgendwie gut und wir haben uns auch schon die ganze Zeit auf diese zwei Wochen mit ihm gefreut. Nach einem einstündigen Gespräch an Ort und Stelle fahren wir in die Stadt, beziehen das Hostel und besichtigen zusammen die große Kathedrale Quitos, die im Stile einer der alten gotischen europäischen Kathedralen errichtet wurde, dies allerdings erst Anfang des 20. Jahrhunderts. Das ungewöhnlichste an dieser großen Kirche sind die Wasserspeier auf der Außenseite des Schiffes. Diese haben nicht die Formen, wie wir sie aus Europa kennen, sondern sie stellen verschiedene Tiere dar, die auf den Galapagos-Inseln, aber auch auf dem Festland Ecuadors heimisch sind, wie z.B. Schildkröten, Echsen, aber auch Pumas und Gürteltiere sind zu finden. Ansonsten besuchen wir noch ein paar weitere, koloniale Kirchen, die von außen weiß sind, keinen richtigen Glockenturm haben und man innen teilweise durch prunkvolle Verzierungen erschlagen wird. Wir essen an Straßenständen und gehen recht früh ins Bett, denn am nächsten Morgen sollte es nach Lago Agrio gehen.

Die Busfahrt am nächsten Tag ist sehr spannend. Es geht erst einmal über einen über 4000 Meter hohen Pass und dann in vielen Kurven auf der anderen Seite der Anden wieder hinab. Dabei durchfährt man verschiedene Klimazonen mit unterschiedlichen Formen der Vegetation und wärmer wird es dabei natürlich auch immer. In Lago Agrio steigen wir aus dem klimatisierten Bus aus und werden von einer feuchtheißen Wand umgehauen. Man fängt sofort an zu schwitzen, das Atmen fällt schwer. Bei diesen Temperaturen entscheiden wir uns dafür, ein Taxi zum rund sieben Kilometer entfernten Hotel zu nehmen, wo wir dann die Möglichkeit haben, uns in einem Pool abzukühlen. Nach der anstrengenden achtstündigen Busfahrt und der bevorstehenden Regenwaldtour begeben wir uns früh ins Bett.

Nach einer zweistündigen Busfahrt kommen wir an einem kleinen schlammigen Fluss an, an dessen Rand mehrere lange motorbetriebene Boote liegen, die von mehreren Helfern be- und entladen werden. Die Tour kann beginnen. Wir lernen unseren Guide Fabricio und unsere Gruppe von fünf anderen Personen kennen, mit denen wir die nächsten drei Tage zusammen sein werden. Die Gruppe besteht aus einem spanischen Pärchen mittleren Alters, die für zwei Wochen in Ecuador reisen, einem jungen spanisch-ecuadorianischen Paar und einem weiteren, einzelnen Spanier. Somit sind wir in einer spanischsprachigen Gruppe gelandet und wir müssen meinem Vater immer wieder übersetzen. Wir steigen ins Boot und los geht’s! Der rund zehn Meter breite Fluss schlängelt sich durch den Regenwald und hinter jeder Kurve erwartet man etwas zu sehen. So wie man es sich im tropischen Regenwald eben vorstellt. Es ist feucht, warm, grün und weniger laut als man denkt. Es ist, einmal abgesehen vom Motor, eigentlich sogar sehr leise. Auf einmal winkt der Guide dem Fahrer wild zu und zeigt in die Baumwipfel. Nach etwas genauerem inspizieren derselben sehen wir sie auch: Blaugelbe Aras! Mehrere Paare sitzen ganz oben im Wipfel einer der Urwaldriesen. Sie lassen sich sogar fotografieren und dann geht es auch schon weiter. In den folgenden drei Tagen werden wir immer wieder Blaugelbe Aras sehen und hören. Wir sind gerade erst wieder ein paar Minuten unterwegs, da lässt der Guide das Boot wieder anhalten, denn er hat etwas am rechten Ufer im Gebüsch entdeckt: Eine kleine (1,5 Meter lange) Anakonda. Das rabenschwarze Tier, so wird uns berichtet, macht wohl gerade einen Verdauungsschlaf. Es ernährt sich von Vögeln, kleinen Säugern und Fischen. Die ausgewachsenen Anakondas hingegen, die bis zu 6 Meter lang werden können, verspeißen dann auch mal Tapire.

Dann geht die Fahrt auch schon wieder weiter, während der einzelne Spanier immer noch lauthals darüber schimpft, dass der Guide die Anakonda gar nicht gesehen haben könne und sie vorher da in den Busch gelegt wurde oder sogar gar nicht echt sei. Obwohl sich, angesichts des laufen Schimpfens unseres Gruppenmitglieds, nun eigentlich alle Tiere des Waldes zurückgezogen haben sollten, bemerken wir auf der rechten Seite des Ufers eine Gruppe Totenkopfäffchen in den Bäumen umherturnen. Kurze Zeit später wechseln sie über einen Baumstamm die Flusseite. Eine wahre Freude, diese zierlichen und so menschenähnlichen Geschöpfe beobachten zu können. Sogar eine Mutter mit einem ganz kleinen Jungen, dass sich auf dem Rücken festklammert, ist dabei. Auch ein oder zwei der listigen Kapuzineraffen begleiten die Truppe, die von der Wachsamkeit der Totenkopfäffchen profitieren. Dann, nachdem wir bereits unzählig viele Tiere gesehen haben, erreichen wir die große Lagune, die zu bestimmten Zeiten ganz ausgetrocknet ist. Am Eingang zur Lagune fließen zwei Flüsse ineinander. Einer mit braunem Wasser, aus dem wir gekommen sind und ein anderer mit schwarzem Wasser. In diesem Übergang schwimmen die Fische wohl langsamer, da sie sich an die Beschaffenheit des anderen Wassertyps gewöhnen müssen. Wir haben großes Glück und dürfen hier drei Amazonasdelfine bei der Jagd beobachten, wobei sie Kreise aus aufgewirbelten Schlamm bilden, um die Fische „einzuzäunen“. Diese Süßwasserdelfine haben eigentlich eine graue Farbe, doch wenn sie jagen oder sich schnell bewegen, das Blut schneller zirkuliert, werden sie rosa. Gegen Nachmittag kommen wir dann in der Lodge an, beziehen unser Zimmer und beobachten Geier, Tukane und viele andere bunte Vögel vom Aussichtsturm aus. Das ganze natürlich nicht ohne sich vorher die Beschwerden des immer laut redenden Spaniers über den bisher stinklangweiligen Tag anhören zu müssen. Als die Sonne am untergehen ist, fahren wir auf einem Boot auf die Lagune und genießen den Sonnenuntergang badend zusammen mit Piranhas und Kaimanen.

Am nächsten Morgen steht die kleine Wanderung im Wald bevor. Wir sehen verschiedene Frösche, Vögel und Insekten, schwingen an „Lianen“ und lernen viele Dinge über die verschiedenen Pflanzen und deren Heilwirkungen. Zum Beispiel auch, dass Lianen Kletterpflanzen sind, die im Boden wurzeln und somit zum an ihnen Schwingen vollkommen ungeeignet sind. Die Pflanzen an denen man schwingen kann, wachsen von oben nach unten hinab, sind Wurzeln von Schmarotzerpflanzen, die ihren Wirt, wenn ihre Wurzeln den Boden erst einmal erreicht haben, sterben lassen, indem sie ihm alle Nährstoffe berauben. Der Nachmittag ist wieder frei und wir beobachten Affen und Vögel vom Turm aus. Des Weiteren finden wir eine kleine grüne Baumschlange, die aufgrund ihres jungen Alters noch keinen Sinn für Gefahr hat. Am Abend gehen wir dann mit dem Boot los und suchen nach Kaimanen, die sich am Ufer der Lagune aufhalten. Immer wieder sehen wir zwei Augen, die das Licht der Taschenlampe reflektieren. Entweder hauen sie dann vor genereller Scheu ab, wenn wir näher kommen oder sie hauen ab, weil sie das durchgehend laute Geplapper des Spaniers genauso nervt wie uns. Nur einmal kommen wir ganz nah an einen ca. 1,5 Meter langen Kaiman heran, der sich dann jedoch auch nach einer halben Minute ins nächtliche Wasser verabschiedet. Der letzte volle Tag in unserer Lodge beginnt damit, dass sich mehrere Kapuzineraffen an den in der Küche liegenden Bananen bedienen. Sie turnen ganz nahe am Gebäude in den Bäumen umher uund warten auf Bananenstückchen, die ihnen daraufhin zugeworfen werden. Für uns ein lustiges Spektakel, da die Affen ähnlich gierig sind wie wir Menschen und sich mit mehreren Bananenstücken davonmachen, sie schnell im Geheimen verschlingen und wieder welche wollen, während andere noch keine hatten. Nach dem Frühstück machen wir uns auf die zweistündige Bootsfahrt zu einem Siona-Dorf, einem indigenen Stamm, der erstmals in den 80ern Kontakt zur Zivilisation hatte. Zu unserer Freude wird der Spanier nicht dabei sein, der Angst davor hat, dass alles langweilig und nicht echt ist. Dort angekommen wird auf traditionelle Weise Yuccabrot gebacken und Fisch im Bananenblatt zubereitet. Beides schmeckt sehr gut, um nicht zu sagen, ausgezeichnet. Wir bekommen erzählt, dass nur sehr wenige Indigene den Weg in die Städte und Univeritäten finden, da sie es dort sehr schwer haben. Die meisten bleiben in ihren Dörfern und leben von der Landwirtschaft und der Jagd. Nach einem kleinen Rundgang durch das Dorf, in dem ein Fußballplatz natürlich nicht fehlen darf, geht es am frühen Nachmittag auf den Rückweg, auf dem wir ein Faultier zu Gesicht bekommen. Vor dem Abendessen fahren wir nochmal zu einem abschließenden Bad zur Lagune. Während dem Abendessen passiert dann etwas, dass ich noch nicht gesehen habe, eine Beleidigung der allerhöchsten Stufe. Es gibt Fisch und der Spanier, der mir ausgerechnet gegenübersitzt, kommt mit seiner Tüte an, aus der er während des Essens üblicherweise allerlei Sachen wie z.B. einen Serranoschinken, Nutella oder Baileys herauszaubert. Dabei muss man wirklich sagen, dass das Essen die ganze Zeit über schön angerichtet und geschmacklich gut an den Tisch kam. Er setzt sich hin, stochert etwas im Fisch rum, meint dann, dass das mal wieder ein Fisch ist, den man nicht essen könne, da sich pro Millimeter hunderte von Gräten befänden. Er schiebt seinen Teller zur Seite, holt sich einen neuen, schöpft sich eine ordentliche Portion Reis darauf und packt dann seine Sardinen- und Lachsdosen aus, mit deren Inhalt er seinen Reis verfeinert. Wir drei sind sprachlos, können es kaum fassen und als er dann auch noch die leeren Dosen auf den leckeren Fisch der Küche pfeffert ist bei mir Schluss und ich starre ihn minutenlang mit böser Miene an. Nach dem Essen sage ich ihm noch, dass wir heute Abend über viele Dinge nachdenken sollten. Verstanden hat er es wahrscheinlich nicht…

Am letzten Morgen werden wir erneut von Kapuzineraffen besucht und fahren dann zwei Stunden lang zurück zum kleinen Hafen 25 Kilometer flussaufwärts. Den Nachmittag über machen wir uns auf den Weg nach Kolumbien, wo wir an der Grenze auf viele festsitzende venezolanische Flüchtlinge treffen. Es ist nicht fair, dass wir einfach nur unseren Pass stempeln lassen müssen und schwupps di wupps sind wir auf der anderen Seite. Mit einem halbblinden Taxifahrer fahren wir dann bei Dunkelheit und Starkregen in den nächsten Ort, wo wir die Nacht über bleiben. Von dort aus fahren wir am nächsten Morgen in zwei Pick-Ups jeweils drei Stunden auf der Ladefläche bis nach San Agustin, wo wir uns am Tag darauf präkolumbischen Statuen anschauen wollen. Aus diesem Plan wird dann jedoch nichts, da wir alle drei mit Brechdurchfall (näheres muss ich nicht erwähnen) den ganzen Tag im Bett liegen. In den Genuss der Skulpturen kommen wir dann jedoch am nächsten Tag, nachdem wir einen stattlichen Eintrittspreis bezahlt haben. Die Figuren stehen in einem sehr weitläufigen Park mit kleinem Museum nebenan. Die Skulpturen sind in Stein gehauen und man weiß bis heute nicht so recht, wer genau und weshalb sie gefertigt wurden. Auch nicht, ob sie Tiere oder Schamanen darstellen sollen. Ich fand das Museum und den Park nicht so wirklich interessant, vielleicht aber auch, weil es mir noch nicht wirklich gut ging.

Unser nächstes Ziel ist dann Pereira weiter im Norden, wo wir im Nationalpark „Los Nevados“ für zwei Tage wandern möchten. Die Fahrt dorthin ist recht spannend, da wir durch das sehr grüne Hochland fahren. Schöne grüne Berge säumen den Horizont und prähistorisch anmutende Pflanzen säumen die Landschaft, bei der es einen nicht wundern würde, wenn Dinosaurier auftauchten. Es geht durch die Großstadt Cali in deren Parks sich venezolanische Geflüchtete Zelte aufgebaut haben. Am Abend kommen wir in der Stadt Pereira an, packen unsere Rucksäcke aus und um.

Mit einem zum Bus umgebauten LKW fahren wir am Morgen darauf in Richtung des Nationalparks und laufen los. Zunächst geht es durch Bergregenwald hinauf. Wir sehen einige Schmetterlinge, einer von ihnen hat durchsichtige Flügel. Das viele Grün wird nur hier und da durch blühende Orchideen und Bromelien durchbrochen. Es geht immer weiter nach oben, durch einen Bach, in der Ferne immer wieder Wasserfälle. Gegen Abend erreichen wir unseren Zeltplatz direkt neben einem kleinen Gehöft, wo wir ein warmes Getränk aus Zuckerrohr bekommen. Wir stellen unsere Zelte auf, kochen uns etwas und schlafen dann. Die Nacht ist kalt und am Morgen will die Sonne nicht so recht hinter einer der Bergspitzen hervorkommen. Also packen wir die Sachen zusammen und machen uns auf den Rückweg. Die noch sieben Kilometer entfernte Lagune ist für uns in der bleibenden Zeit nicht erreichbar. Gegen Mittag kommen wir zurück zum Parkplatz, um den Bus zurück in die Stadt zu nehmen. Um eins hieß es, würde er abfahren, doch als wir um halb eins ankommen, wird uns gesagt, er wäre bereits um 12 abgefahren. Also müssen wir noch vier Stunden warten, in denen wir unsere Sachen trocknen und dann zusehen müssen, wie ein Hund einem der beiden herumspazierenden Hähne hinterherjagt, ihm alle Schwanzfedern entreißt und ihn dann quer im Maul packt und davonrennt. Nach einer Weile kommt der Hund ohne den Hahn wieder zurück und ruht sich aus. Der andere Hahn scheint ganz froh darüber zu sein, den Kollegen los zu haben und wagt sich zwischenzeitlich bis auf wenige Schritte an den schlafenden Hund heran. Nach ungefähr zwei Stunden bewegt sich der noch übrige Hahn aus seinem zwischenzeitlichen Unterstand hervor und spreizt die Flügel vom Körper. Und siehe da, der andere Hahn hat sich wieder berappelt. Er kann einem echt Leid tun. Er sieht grauenvoll zerrupft aus , so ganz ohne Schwanzfedern. Dann beginnt der Kampf der Giganten. Der eine noch prächtig, der dachte, dass sein Rivale ausgelöscht sei und der andere vollkommen zerrupft, scheinbar ohne etwas verlieren zu können. Über ein bis zwei Stunden greifen sich die beiden Kontrahenten immer wieder an, der zerrupfte wird immer wieder zu Boden gedrückt, scheint dem Tod nahe. Immer wenn der hübsche dann doch noch ablässt, wird der zerrupfte wieder aufmüpfig und greift erneut an. Einmal beginnt er lauthals zu krähen, wie wenn er sich zum Sieger ausruft, nachdem er vom hübschen wieder ordentlich verprügelt wird. Langweilig wird es uns an diesem Nachmittag jedoch nicht.

Den vorletzten Tag zu dritt verbringen wir dann hauptsächlich im Bus nach Bogota, wo wir gegen Abend ankommen und im Hostel Dinge aussortieren, die nach Deutschland dürfen. Am letzten Tag bummeln wir noch etwas durch die Stadt, gehen gemeinsam etwas essen und kaufen noch ein paar Mitbringsel ein. Am Nachmittag fahren wir gemeinsam zum Flughafen und verabschieden uns von unserem Besuch. Es waren schöne und abwechslungsreiche zwei Wochen zusammen, die wir nicht so schnell vergessen werden! 🙂

Liebe Grüße aus Medellín!

Rebecca und Johann

(Johann)