Nicaragua – gebrochene Schönheit

Wir überqueren die Grenze und befinden uns in einer anderen Welt. In heruntergekommenen Blechhütten wird Essen verkauft, auf der Straße wird man von gefühlt jedem Zweiten aufgefordert, sein Geld in die Landeswährung, Córdoba, zu wechseln. Nachdem der erste Mann uns einen eher miesen Kurs angeboten hat, wechseln wir bei einer Frau, die zudem seriöser aussieht (auch wenn das wahrscheinlich nicht der Fall ist). Die Ausreise aus Costa Rica war nicht billig (8 US$), die Einreise nach Nicaragua ist noch teurer. 12 US$ pro Person für die Touristenkarte, die nur ein Stückchen Papier ist, plus 1 US$ irgendeine andere Gebühr. Na gut, da kommen wir leider nicht drumherum. Ohne lange Wartezeiten haben wir schließlich den Stempel im Pass und befinden uns in Nicaragua.

Da wir noch heute im etwa 130 Km. entfernten Granada, DER Touristenstadt in Nicaragua, ankommen wollen, nehmen wir nach etwa einer Stunde nicht erfolgreichen Trampens ein Taxi 50 Km. weiter. Der Fahrer hat uns überzeugt, dass es schwierig sei hier zu trampen und dass es sowieso von hier keine Direktbusse nach Granada gäbe. Im Prinzip trampen wir bei ihm für Geld mit. Er nimmt den gleichen Betrag wie der Bus verlangen würde. Also steigen wir ein und tatsächlich wird es mehr eine Autostopp- als eine Taxifahrt. Er erzählt uns von Nicaragua und was wir hier so machen können. Die Fahrt geht entlang des Lago de Nicaragua, der etwa 16 Mal größer als der Bodensee ist. Wir fahren an kleinen Bananen-, Papaya- und Zuckerrohrplantagen vorbei und überqueren Flüsse. Alles ist grün, leider aber zum Teil auch sehr vermüllt. Plötzlich erheben sich zwei Vulkane rechts von uns aus dem See. Sie gehören, bzw. bliden die Isla Ometepe. Besonders der „Volcán Concepción“ ist ein Vulkan wie aus dem Bilderbuch und wir beobachten ihn aus dem Fenster, bis er aus unserem Blickfeld verschwunden ist. 60 Km. weiter steigen wir aus, um in den Bus nach Granada umzusteigen. Eigentlich wollten wir von hier weitertrampen, doch es ist bereits Nachmittag und ab 17:30 Uhr beginnt es zu dämmern. Im Dunkeln wollen wir nicht ankommen und so bezahlen wir für eine Person mehr, aufgrund unseres Gepäcks und steigen ein. Es ist einer der amerikanischen Schulbusse, die auch schon in Costa Rica genutzt wurden. Dieser hier ist allerdings bunt statt gelb. Als der Bus zum Bersten vollgestopft ist (wir kamen früh genug um einen der unglaublich engen Sitzplätze zu ergattern, mit dem Nachteil dass wir inzwischen, dank der Hitze, förmlich am Sitz festkleben) geht es los. Auf der Fahrt beginnt es langsam zu Dämmern. Der Fahrtwind tut gut und es wird eine viel spannendere Fahrt als wir uns erhofft hatten. Um ehrlich zu sein war ich ziemlich sauer, dass wir schon nach einer Stunde des Wartens knapp die Hälfte des Landes mit dem Bus durchqueren. Nur weil wir uns entscheiden mussten zwischen Trampen und wenig Zeit zu haben, sich Städte anzusehen oder nicht zu trampen, dafür aber einen kleinen Teil der Sehenswürdigkeiten mitzubekommen. Wir wollen zu Weihnachten in El Salvador sein, daher das Zeitproblem… Als sich der Bus langsam leert, beugt sich ein älterer Mann über den Gang hinweg zu Johann herüber und fragt ihn, woher wir seien. Mit der Antwort ist er zufrieden. Wir als Europäer seien hier willkommen, die „Gringos“ (US-Amerikaner) werden hier nicht gerne gesehen, fängt er das Gespräch mit uns an. Auch hier hatte die USA und hat noch immer ihren Einfluss und ihre Finger im Spiel.

Der Mann beginnt zu erzählen. Lei raunt er Johann zu: „Jetzt ist es ruhig hier, nicht mehr so gefährlich. Die Menschen sind ruhig und halten sich zurück. Wir leben in Repression.“ Wir waren auf ein ähnliches Szenario vorbereitet. Wahrscheinlich haben die meisten von euch im Frühsommer die Nachrichten aus Nicaragua mitbekommen, als tausende Menschen erst gegen eine Rentenkürzung und schließlich gegen den amtierenden Präsidenten Daniel Ortega und seine Unterstützer demonstrierten. Innerhalb von drei Monaten wurden 250 Zivilisten getötet, man geht allerdings inzwischen von etwa 400 Todesopfern aus, die sogenannten „Verschwundenen“ mit einberechnet. Die „Verschwundenen“ bekommen wir später von einem Mann erzählt, sind Menschen, die von ehemaligen Militärs oder Polizisten in Zivil abgeholt werden. Niemand weiß, wohin sie gebracht werden, nur wenige wurden tot wiedergefunden, mit grausamen Folterspuren. Die Proteste sind angesichts der Gewalt die gegen die Demonstranten angewandt wurde erloschen. Der Wille, sich offen zu wehren scheint für den Moment erstickt. Die Regierung hat ein Gesetz beschlossen, das friedlichen Protest als Terrorismus bestrafen kann. Der Clan um Ortega besitzt weitreichenden Einfluss in Politik, Wirtschaft und Medien. „Die Menschenrechte sind am Boden“, flüstert der Mann. Uns wird klar, wie weitreichend die Menschen hier unterdrückt werden. Mit seiner Meinung muss man vorsichtig sein und sollte sie gegen die Regierung sein, äußert man sie besser gar nicht erst. Die Wahrheit, wie die Menschen leben, trifft uns dann doch unvorbereitet. Wir, die wir frei aufgewachsen sind und gelehrt wurden, Dinge zu hinterfragen und unsere Meinung zu sagen, können uns ein solches Leben, trotz der deutschen Geschichte nicht vorstellen. Mit einem Mal wird uns klar, wie wertvoll es ist, in einem Staat aufwachsen zu können, in dem man äußern kann was man denkt. Und wie wichtig es ist, dass dies jeder überall tun kann. Der Mann ist Anwalt. Wie es sich wohl auf seine Karriere auswirken würde, wenn er sich offen äußern würde? Er könnte alles verlieren. Tatsächlich hätten wir nicht gedacht, dass sich jemand so offen uns gegenüber äußern würde, was die Regierung betrifft, erst recht nicht in einem vollen Bus. Als wir dem Mann erzählen, wie schön wir es hier finden, beginnen seine Augen zu leuchten und begeistert erzählt er uns, was wir hier alles sehen können. Als wir in Granada ankommen ist es bereits dunkel. Der Mann verabschiedet sich von uns, kommt aber nochmal kurz zurück und sagt, wir könnten jetzt noch herumlaufen aber viel später nicht mehr. „Sie werden euch beklauen.“. Ein Mann vor uns dreht sich grinsend zu Johann um und sagt: „Sie werden euch die Schuhe klauen!“ Wir müssen lachen. Nicaragua und seine Bevölkerung begrüßt uns warm und herzlich.

100 Meter weiter nach unten, dann nach links und wir stehen vor einer Unterkunft. Zum Glück. In der kleinen dunklen Gasse mit ein paar dunklen Gestalten war uns dann doch nicht so wohl zumute. Johann geht in die Unterkunft links und ich in die rechts. Und wir kommen beide einigermaßen erstaunt zurück. Beide Besitzer wollen für eine Nacht in einem eigenen Zimmer mit eigenem Bad und Gemeinschaftsküche 5 US$ pro Person. Wir entscheiden uns für das mit Pool. Hier sind die Unterkünfte mit Privatzimmern wieder billiger als Hostels. Und der scheinbar karge Tourismus tut sein Übriges, um die Preise weiter zu drücken. Auf dem Schild vor dem Eingang steht groß, „alle Preise sind verhandelbar“, doch wir geben uns mit dem genannten Preis zufrieden, der sowieso schon fast um die Hälfte geschrumpft ist.

Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg, Granada zu erkunden. Dafür, dass es eines der beliebtesten Touristenziele Nicaraguas ist, ist kaum etwas los. Schaut man auf die Karte von Granada, entdeckt man überall Hostels, Hotels und andere Unterkünfte. Auf den Straßen sieht man aber vor allem Einheimische. Den ganzen Tag begegnen wir nur einer Handvoll anderer Touristen. Die kleine Stadt selbst ist für ihre Kolonialarchitektur bekannt. Sie liegt direkt am Fuß eines Vulkans und am See. Man spaziert auf Kopfsteinpflaster durch wunderschöne bunte Häuserreihen, jedes der schmalen Häuser in einer anderen Farbe bemalt, an Kirchen vorbei, die zum Teil restauriert, zum Teil aber ihre Altersspuren kaum verstecken können. Bei einigen blättert der Putz ab, ihr ehemaliger Prunk ist nur noch zu erahnen. Langsam bummeln wir durch die Straßen, über Plätze auf denen Essen und Kunsthandwerk verkauft wird, an leeren Tischen vor Restaurants vorbei, über den vor Leben pulsierenden Markt. Es riecht unangenehm, wir machen große Schritte über die am Boden entlanglaufenden Flüssigkeiten. Eine Frau an einem Fischstand, die auch noch lebende aufgespießte Krebse verkauft, fragt uns was wir mitnehmen wollen. „Nichts, danke.“, sagen wir und setzten unseren Weg durch bunte Klamotten, riesige Papayas und übel riechende Flüssigkeiten fort. Aus dem einen Laden schallt „Stille Nacht, heilige Nacht“ und mixt sich unangenehm mit dem Raggaeton aus dem Lautsprecher direkt daneben. Es folgt „Feliz Navidad“. Bunte Busse, Autos und Pferdewagen bahnen sich einen Weg über den Markt. Granada ist schön, voll Leben und vor allem authentisch. Aber doch fehlt etwas: die Menschen, die den Ort besuchen. Man sieht es überall, die leeren Restaurants, die Pferdekutschen, die für potentielle Kunden bereitstehen (bei den armen Tieren kann man die Rippen zählen), unzähligen Hostels, Touranbieter, die verzweifelt versuchen, uns zu einer Tour zu überreden: Granada lebt vom Tourismus. Oder hat es jedenfalls. Der Tourismus scheint genauso dünn wie die Pferde vor den Kutschen. Wie sich die Hostels noch über Wasser halten können, bzw. ob sie überhaupt noch dazu in der Lage sind, weiß ich nicht. Die Gewalt, die über dieses Land hinweggeschwappt ist, hat die Besucher mit sich gerissen. Und die Menschen haben nicht nur ihre Freiheit was ihre Meinungsäußerung betrifft, sondern zum Teil auch ihre Existenzgrundlage verloren. Hier in Granada wird uns deutlich, wie wichtig Tourismus sein kann und wie verheerend die eigentlich doch so wichtige politische Initiative der Bevölkerung. Als Touristen sind wir hier sicher, solange wir nicht politisch aktiv werden. Die Gewalt richtet sich nicht gegen Leute wie uns, sondern in erster Linie vom Staat gegen die eigene Bevölkerung. Einmal fährt ein Pickup an uns vorbei. Auf seiner Ladefläche vier Soldaten mit Maschinengewehren. Misstrauisch schaue ich ihnen hinterher…

Am nächsten Tag besuchen wir die Laguna de Apollo, einen Kratersee ganz in der Nähe von Granada. Die ersten paar Kilometer mit dem Bus, die letzten per Anhalter. Wir müssen es gar nicht lange versuchen, der zweite oder dritte Pickup lässt uns auf seine Ladefläche klettern, wo schon zwei andere sitzen. Kurz vor dem Ziel geht es nun ein paar hundert Meter steil bergab, die Lagune liegt in einem Krater, wunderschön eingebettet in dunkelgrünen Laubwald. Während unseres kleinen Spaziergangs kommen wir an einigen Hotels und an ein paar Blechhütten vorbei. Einer der Bewohner derselben wäscht gerade Wäsche auf einem im See angebrachten Waschbrett, ein älterer Mann sitzt vor einem der Verschläge und singt aus voller Kehle die Melodie mit, die aus irgendeinem Gerät schallt und die uns dank ihrer Lautstärke noch einige Meter begeitet. Es ist wunderbar in der Lagune zu baden, sie hat genau die richtige Temperatur, rundherum der Wald, im Hintergrund der Vulkan an dessen Fuß Granada liegt und der regelmäßig Aschewölkchen ausstößt. Auf einem kleinen Trampelpfad steigen wir die 200 Höhenmeter bis zur Straße hinauf. Ein letzter Blick zurück, auf die blau schimmernde Lagune inmitten des Grüns. Ihr dunkles Blau verrät ihre Tiefe: an der tiefsten Stelle ist sie 180 Meter tief! Dann sind wir an der Straße. Ein Mann geht auf der anderen Straßenseite und kommt übers ganze Gesicht strahlend und mit ausgestreckter Hand auf uns zu. Er hat Down-Syndrom und ich glaube man kann keinen lieberen Menschen treffen, als einen Nicaraguaner mit Down-Syndrom. Denn die Menschen hier sind unglaublich lieb, freundlich und aufgeschlossen. Fast jeder schenkt einem ein Lächeln, wenn man auf der Straße unterwegs ist. Man fühlt sich sofort willkommen. Und Menschen mit Down-Syndrom sind ja bekannt für ihre Liebenswürdig- und Freundlichkeit. Grinsend klatscht der Mann in die Hände und sagt „Amen! Amen!“. Dann zieht er 10 Córdoba (etwa 30 Cent) aus seiner Hosentasche, wedelt damit vor unseren Gesichtern und erklärt, dass er die immer bekommt, wenn er in die Kirche geht. Er deutet zurück und gibt uns zu verstehen, dass er dort hinten mit seiner Mutter, seinem Vater und einer Kuh lebt. Dann verabschiedet er sich mit einem Handschlag. Es macht so glücklich, solche lieben und zufriedenen Menschen zu begegnen. Als wir wenig später in Granada ankommen sind wir erfüllt von Dankbarkeit für diese Begegnungen. Das letzte Stück legten wir wieder mit dem Bus zurück. Diesmal in einem Minibus, dessen Sitzplätze so eng waren, dass wir nicht wussten, wo unsere Knie unterbringen, nachdem wir den ersten Teil gebückt im Stehen gefahren sind, weil die tiefe Decke kein aufrechtes Stehen erlaubte. Zumindest uns nicht. Als eine Familie mit zwei kleinen, vielleicht vierjährigen Jungs sich zum Aussteigen fertig macht, nickt mich einer der beiden mit vorgeschobenem Kinn, eingequetscht zwischen seinem Vordermann und seinem Vater, auffordernd an. Ich muss breit grinsen. Und er strahlt übers ganze Gesicht zurück. Seine dunkelbraunen, fast schwarzen Augen lachen mit. Er dreht den Kopf, nur um mich dann wieder anzugucken. Bei uns beiden ist das Grinsen nicht verschwunden. Bevor er aussteigt, dreht er sich nochmal um und ich spüre, dass das Lächeln, das er mir geschenkt hat, noch lange auf meinem Gesicht Widerhall findet.

Nach den 2 Km. bis zum Ortsausgang muss ich mein T-Shirt erstmal wechseln. Soll ja keiner ersticken. Wir wollen unser Glück mit dem Trampen versuchen, nach unserem zweimaligen Erfolg gestern. Wie immer suchen wir uns einen schönen Platz im Schatten, wo man es gegebenenfalls gut ein paar Stunden aushalten kann, wenn man muss. Das ist hier allerdings nicht der Fall. An diesem Tag erreichen wir noch León, wo wir eigentlich erst einen Tag später ankommen wollten. Und das mit fünf verschiedenen Gefährten! Noch nie hat das Trampen so gut geklappt wie hier. Wir stehen kein einziges Mal länger als fünf Minuten, werden zweimal im Prinzip sofort eingesammelt. Und dazu kommt noch, dass man immer auf der Ladefläche sitzt. Der Wind braust uns um die Ohren und wir genießen die Landschaft, die besonders spektakulär wird, als wir uns auf einer Anhöhe befinden. Unsere Mitfahrgelegenheit, ein LKW-Fahrer aus El Salvador hält an damit wir Fotos machen können und wir steigen aus. Wir, das sind wir zwei, der Fahrer und ein Nicaraguaner, den der Fahrer zuvor schon eingesammelt hatte. Der Lkw hat zwar eigentlich nur den Fahrer- und einen Beifahrersitz aber das Bett gibt’s ja auch noch. Wir sehen die sanften, grünen Hügel hinab, bis zum Meer. Als wir unseren Weg fortsetzen, erstreckt sich vor uns der „Lago de Managua“, der See an dessen Fuß die Hauptstadt liegt. Ein wunderschöner Vulkan stößt seinen rauchigen Atem in kleinen Wölkchen in den Himmel. Ein wenig später, der Nicaraguaner ist bereits ausgestiegen, erheben sich drei weitere Vulkane in der Ferne, es ist ein überirdischer Anblick und bald sind wir auch noch in der Mitte diesen Vulkan-Halbkreises. Nicaragua fesselt und berührt uns zutiefst.

Mit Couchsurfing hatten wir kein Glück und so müssen wir unser Hostel nach einer Nacht gegen ein weiteres austauschen. Es macht einmal die Woche zu, weil zu wenige Leute da sind. Am Morgen noch hatten wir unseren vorigen Hostelbesitzer gefragt, ob es noch möglich ist, vom Tourismus zu leben. Naja, sagte dieser darauf, er putze selbst, weil er keine Putzkraft mehr bezahlen könne und habe neben der Unterkunft noch eine Apotheke und Bananenstauden, mit denen er einmal die Woche den Markt beliefere. Vor April diesen Jahres sei Granada voll gewesen von Touristen, es hätte an Betten gemangelt, erzählte er uns. Er hätte elf Monate im Jahr alles durchgängig belegt gehabt (elf Zimmer). Außer dem unsren waren nur zwei von den übrigen zehn Zimmern belegt. Nachher erzählt uns ein Mann, der uns einen „Ride“ gibt, wie es hier heißt, dass die gesamte Tourismusbranche um 80% eingebrochen sei. Seit April. Die Menschen werden förmlich für ihre politische Initiative bestraft. Nachdem er sich kritisch über die Regierung geäußert hat, wagen wir vorsichtig zu fragen, wie es um die Meinungsfreiheit bestellt sei. Er erzählt uns von dem Gesetz das erlaubt, friedliche Demonstranten als Terroristen zu bestrafen, davon dass erst kürzlich das Büro eines bekannten unabhängigen Journalisten geschlossen und ebendiesem Journalisten verboten wurde, weiterhin zu veröffentlichen. Und er erzählt uns, dass es so nicht weitergehen kann. Entweder der Präsident lässt Neuwahlen veranlassen oder es wird Krach geben. Tatsächlich haben auch wir das Gefühl, in einem Zeitfenster zu reisen, einem, in dem es noch sicher ist für Touristen, einem zwischen der brutalen Aktion gegen friedliche Demonstrationen und der Antwort auf diese. Wie lange es sich hinziehen wird, bis sich die Menschen erneut erheben, wie lange sie dieses Schicksal der absoluten Unterdrückung erdulden werden, bleibt fraglich. Es könnte jeden Moment ein Bürgerkrieg ausbrechen, dieses Gefühl haben wir. Es liegt eine gewisse Spannung in der Luft.

Am folgenden Tag machen wir uns auf den Weg zum Meer und mieten uns auch dort in einer Unterkunft ein. Außer uns ist noch ein Brite da, der hier aber schon seit Jahresanfang lebt. Wir schaukeln in den Hängematten, sehen dem Sonnenuntergang zu, lassen uns von den Wellen des Pazifiks wie als Kinder vor Freude kreischend an den Strand spülen und genießen es, alles ganz für uns alleine zu haben. Und weil es so schön ist, bleiben wir gleich noch eine Nacht. Die Besitzerin des Hostels scheint ganz froh darum zu sein, seit Mai hatte sie keine zehn Leute da. Den anderen Hostels und Hotels, die sich am Strand eines neben dem anderen aufreihen, wird es ähnlich gehen.

Früh am Morgen machen wir uns auf den Weg. Es ist der 21.12. und wir wollen am 23. in San Salvador sein. Kaum haben wir die Straße erreicht sitzen wir schon wieder in einem Auto. Sechs verschiedene Gefährte bringen uns bis an die Grenze zu Honduras, darunter sogar ein Taxi (ohne Geld zu verlangen!). Wir dürfen nochmal die spektakuläre Aussicht auf die Vulkane genießen, fahren sogar ganz nah an einem vorbei, den wir alleine besteigen könnten. Kurz überlegen wir es uns. Doch die Zeit ist zu knapp. Diese genauen Planungen machen einem manchmal schon vieles kaputt… Wie gern hätten wir diesen Vulkan erklommen, einen Blick in die brodelnde Lava geworfen und wie gern hätten wir mehr Zeit hier in Nicaragua verbracht! Wir haben eine Verabredung über Couchsurfing für Weihnachten, haben schlecht geplant, Nicaragua zu wenig Zeit gegeben.

Nun stehen wir schon an der Grenze zu Honduras. Seit zwei Stunden. Auf nicaraguanischer Seite ging es schnell, nochmal 2 US$ Ausreise bezahlen und Rucksack durchleuchten lassen, die vielen Papiere an verschiedenen Stellen abgeben und dann kann man sich schon in die lange Schlange der Migration für Honduras einreihen. Einen Ausreisestempel gab es nicht.

Es war eine eindrückliche Zeit, die wir sehr bewusst erfahren und gelebt haben. Eine Woche voll schöner Landschaften und extrem lieber und aufgeschlossener Menschen, die uns voll Vertrauen ihre Geschichten und ihre Situation anvertraut haben. Wir haben nur einen Bruchteil dieses wunderschönen Landes mit seinen liebenswerten Menschen erfahren und es wäre eine Freude noch mehr kennenzulernen und zu erfahren. Es war eine Zeit hier, die wir nocht vergessen werden. Sie war tief beeindruckend und sehr besonders. Wir können jedem nur empfehlen hierher zu kommen, solange die Situation es noch zulässt. Nicaragua hat uns vielleicht am meisten überrascht von allen Ländern bisher und gehört, wenn man so will, zu unseren absoluten Favoriten.

Wir wünschen euch allen eine frohe, besinnliche und ruhige Weihnachtszeit und einen guten Start in das neue Jahr, für das wir euch alles Liebe und Gute wünschen!

Johann und Rebecca

P.s. Den vielen Müll der hier überall rumliegt, habe ich nicht erwähnt, das war, obwohl es das eigentlich nicht ist, dieses Mal doch irgendwie nebensächlich.

(Rebecca)

Costa Rica (Reiche Küste) – im Land des Wassers

Nach einer schlechten Nacht übertreten wir die Grenze zu Costa Rica. Es läuft alles problemlos und nachdem der Beamte uns völlig aus dem Zusammenhang gerissene Fragen gestellt hat, drückt er uns den Stempel in den Pass. An der Grenze treffen wir auch auf einen italienischen Radfahrer, der uns erzählt, dass er ein Jahr zuvor in Ushuaia mit seiner Tour begonnen hat und nächsten Sommer in Alaska ankommen möchte. Wir tauschen uns über unsere Reiseroute aus und bemerken dabei erschreckende Parallelen. Nach dem obligatorischen Nummern- und Mailtausch trennen sich unsere Wege dann auch bereits. Vielleicht sieht man sich ja in Alaska!

Ein paar hundert Meter hinter der Grenze bleiben wir für die Nacht, auch wenn es erst Vormittag ist, auf einem Lkw-Parkplatz, wo wir unsere Sachen trocknen wollen, die in einem heftigen Dauerregenschauer am Vortag nass geworden sind. Wir dürfen im Gebüsch hinter den LKWs zelten und sogar die Duschen mitbenutzen. Gegen Nachmittag bringt uns der Besitzer eine Plastikplane gegen den Regen mit, die wir sofort über das Zelt legen. Und dann geht es auch schon wieder los. Ja, wir freuen uns, wenn die Regenzeit vorbei ist!

Am nächsten Morgen stehen wir keine fünf Minuten an der Straße, da hält auch schon ein Mann, der uns ein gutes Stück mitnimmt. Ein Traumstart! Wir hatten eigentlich nicht erwartet, dass Costa Rica landschaftlich so anders sein wird als Panama. Es ist wirklich faszinierend, denn kaum übertritt man die Grenze, verengt dich die Panamericana auf eine schön übersichtliche zweispurige Straße und es ist grün! Man hat das Gefühl, dass alles etwas kleiner und auch unkomplizierter ist als in Panama. Man fährt über dutzende Brücken, unter denen glasklare Bäche hindurchfließen, die direkt aus den Bergen kommen. An einer Brücke halten wir an und probieren das Wasser, das direkt aus dem Bach zur Straße gepumpt wird, wo man es sich dann aus einem Hahn zapfen kann. Und das sollte nicht die letzte Stelle dieser Art sein. Weiter geht es durch Palmölplantagen, die im weiteren Verlauf der Straße teilweise so groß sind, dass man kein Ende mehr sieht, welches dann der Anfang einer Bananenplantage ist.

Gegen Mittag stehen wir an der Straße in einem kleinen Ort. Auf einmal kommt ein junger Mann Anfang 20 zu uns, der ohne dass wir fragen müssen damit beginnt, über sein Leben zu erzählen. Dieses Erlebnis habe ich in unserem Tagebuch festgehalten:

Beim Warten in der Hitze kommt irgendwann ein junger Mann Anfang 20 auf uns zu. Er fragt, woher wir kommen und dann fängt er auch schon an zu erzählen. In Hemd und Schlabberhose steht er uns gegenüber und erzählt, wie gerne er nach San José gehen würde, dort verstünde man ihn. Hier hielten ihn alle nur für verrückt. Während er spricht, stoppt er immer wieder mitten im Satz und zuckt für wenige Sekunden mit den Augen, bevor er fortsetzt. Ein Tick. Mir ist er irgendwie sympatisch. Ich finde ihn interessant. Weiter, so führt er fort, sei er einer der sieben Wächter der Himmelspforte und ihm gegenüber stünden die zwei Wächter des Teufels. Wer ihm außerdem gegenüber sitzt, stellt er uns vor. Mit richtungsweisenden Handgesten präsentiert er uns ein Kind, einen Alten und einen Verrückten. Sie seien immer bei ihm und würden ihn beherrschen. Bevor er nach seinem rund zehnminütigen Monolog aufsteht und geht, berichtet er noch, dass er an seinem 21. Geburtstag wiedergeboren sei und er seinen nächsten Geburtstag in San José feiern möchte. Dann steht er auf, klopft mir kräftig auf die Schulter, verabschiedet sich per Handschlag und geht. Ich bin beeindruckt. Ich weiß nicht wieso, aber ich bin es. Bis er etwa 500 Meter weiter hinter einer Kurve verschwindet, blicke ich ihm hinterher. Den ganzen restlichen Tag geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. Das sind die Situationen, die man erlebt, wenn man trampt. Man steht stundenlang an der Straße und alle möglichen Menschen laufen an einem vorbei. Mir kam es so vor als sei er schizophren, paranoid oder sogar beides gleichzeitig. Dennoch frage ich mich, wer recht hat. Warum sollte ich das Recht haben, ihn als Spinner oder Lügenerzähler zu bewerten und damit abzustempeln? Warum sollte seine Realität falsch sein? Wir sehen doch sowieso alle mit verschiedenen Sichtweisen auf die Dinge und er sieht oder fühlt etwas, das ich nicht nachvollziehen kann, sobald er sie empfindet, sind sie jedoch real! Für mich nicht, aber für ihn. Und damit sind sie auch wahr!

Dieses Treffen hat meine Sicht auf einige Dinge verändert. Ich muss immer wieder an ihn denken. Es war nicht unsere erste Begegnung mit Menschen am Straßenrand und es wird auch nicht unsere letzte sein. Es war jedoch eine ganz besondere, so viel steht fest.

Gegen Abend fragen wir, es regnet bereits schon wieder, an der Polizeistation nebenan, ob wir neben deren Gebäude auf der Wiese zelten dürfen. Kein Problem, so wie fast immer.

Am nächsten Morgen werden wir eine große Strecke von einem salvadorianischen LKW-Fahrer mitgenommen. Wir steigen in dem Örtchen Quebrada Ganado aus und machen uns auf den Weg zum Strand, an dem wir für zwei Nächte bleiben werden. Wir verbringen beide Abende am Feuer und tagsüber sammeln wir Perlmutt, baden und spielen. Auch können wir immer wieder Hellrote Aras sehen, die meistens als Pärchen unterwegs sind. Einmal fallen direkt aus dem Baum über uns aufgeknackte mandelähnliche Früchte hinunter. Erst denken wir uns nicht so viel dabei, doch als dann ein Krächzer über uns ertönt, sehen wir die beiden Täter. Es sind zwei Aras, die keine sieben Meter über uns sitzen und es sich in aller Seelenruhe schmecken lassen. Was für schöne Tiere!

Nach zwei Nächten verlassen wir den Strand und ziehen drei Kilometer weiter an einen der vielen klaren Bäche, wo wir ebenfalls für zwei Nächte bleiben und es uns gut gehen lassen. Die Stille wird allerdings am zweiten Tag immer wieder von vorbeifahrenden Quads gestört. Direkt vor unserem Zelt fahren sie vorbei und wühlen den glasklaren Bach auf. Irgendwann bekomme ich das Gefühl, dass es ihnen Spaß macht uns zu ärgern und jedes Mal werde ich ein bisschen ärgerlicher und schließlich auch kreativ, wie man sie stoppen könnte. Von meinen Ideen ist Rebecca jedoch nicht so begeistert und wir warten, bis sie irgendwann aufhören. Als wir dann am Morgen des folgenden Tages gehen wollen, kommen immer wieder die Innereien und Fischreste von rund eineinhalb Meter langen Fischen den Bach hinunter, worüber sich die Geier freuen. Jetzt ist uns auch klar, woher der Aasgeruch, der die Tage vorher immer wieder in Schwaden an uns vorbeizog, herkam.

Mit mehreren Personen kommen wir dann nach Puntarenas, einer Hafenstadt, die auf einer etwa 10 Km. langen und 500 Meter breiten Halbinsel liegt. Dort verbringen wir einen ganzen Nachmittag, da sich die Frau, bei der wir über Couchsurfing sein werden, nicht meldet. Gegen Abend werden wir dann, da unsere Handyakkus leer sind und wir kein Internet haben, von einem Mann in seine Bar eingeladen, wo wir eine Steckdose und Internet bekommen. Wir werden von der Frau hinter der Bar zu einer Reispfanne eingeladen und auch Getränke bekommen wir spendiert. Die leicht bekleideten und stark geschminkten Frauen vor der Bar lassen uns langsam erahnen, wo wir gelandet sind. Bestätigt werden wir, als kurze Zeit später eine von ihnen mit einem älteren Mann hinter einem Vorhang verschwindet… Nachdem wir eine Nachricht von Mary, unserer Gastgeberin, bekommen haben, bedanken wir uns für die Großzügigkeit des Chefs und der Frau hinter der Bar und gehen zum ausgemachten Treffpunkt. Es ist das Restaurant von Mary, die uns schreibt, dass wir bestellen sollen was wir möchten. So wird das dann auch die nächsten Tage bei ihr sein. Wir können immer wenn wir möchten in dem Restaurant essen. Bezahlen müssen wir nur die Getränke. Mary ist sehr großzügig. Während unserer Zeit in Puntarenas baden wir unter anderem in den wunderbaren Wellen des Pazifiks. Es ist ein Heidenspaß! Auch versuchen wir unsere kaputte Kamera reparieren zu lassen, doch man sagt uns, wir müssen dafür nach San José gehen.

Also fahren wir, obwohl wir bereits mehr oder weniger erfolgreich an der Hauptstadt vorbeigekommen sind, dorthin. Da unser Couchsurfing-Gastgeber in San José kurzfristig absagen muss, gehen wir für vier Nächte in ein Hostel. Nach vielem Suchen und Warten, jedoch auch einer sehr erholsamen Zeit in einem sehr angenehmen Hostel, bekommen wir die Kamera wieder voll funktionsfähig zurück. San José haben wir ganz ungewollter Weise etwas kennengelernt. Es ist eine nicht besonders sehenswerte Stadt, die jedoch ganz nett zwischen Vulkanen eingebettet liegt.

Wir sind froh, nun wieder ein Ziel, nämlich Nicaragua, vor Augen zu haben und schaffen es in zwei Tagen bis an die Grenze. Die erste Nacht verbringen wir auf dem Grünstreifen hinter einer Subway-Filiale. Wir können an dieser Stelle sehr viele Aras beobachten, die überall umherfliegen. Man sieht vor allem Hellrote Aras, aber auch immer wieder Gelbbrustaras. Manchmal sogar als Pärchen. Was dann dabei herauskommt nennt sich Harlekin-Ara und wie der aussieht kann man sich vorstellen. Für die die es nicht können, haben wir ein Bild gemacht. Gegen Abend bringt uns der Nachtwächter noch eine Flasche Cola, Fertignudeln und Bananen vorbei. Am nächsten Morgen geht es dann weiter bis kurz vor die Grenze, wo wir entscheiden noch eine Nacht am Meer zu bleiben. Der Strand ist wunderschön und es gibt sehr viele schöne Muscheln zu sammeln. Die ganze Sache hat nur den einen kleinen Haken, dass ein Fluss in die Bucht mündet und es Krokodile gibt. Die Polizisten in ihrer kleinen Hütte versichern uns allerdings, dass man im Meer baden könne. Trotzdem planschen wir nur etwas in Ufernähe umher. So ganz vertrauen wir dann doch nicht darauf, dass die Krokodile in ihrer Mündung bleiben.

Etwa fünf Kilometer vor der Grenze sieht man bereits, dass man kurz davor ist, denn es reiht sich LKW an LKW. Teilweise warten sie mehrere Tage lang, um über die Grenze zu kommen. Unglaublich. Für uns geht es, nachdem wir die Ausreisegebühr bezahlt haben, nach Nicaragua. Etwas ganz Neues beginnt.

Wir haben uns nun etwa zwei Wochen lang in Costa Rica aufgehalten. Wir haben die Pazifikküste gesehen und etwas vom Landesinneren, doch es fehlt noch so viel. Es gibt weiter im Landesinneren Regenwälder, sowie Vulkane und dann auch noch die Karibikküste mit ihren Mangrovenwäldern, die sicher auch wunderschön ist. Es ist unglaublich, wie viel Wasser und vor allem wie viel sauberes Wasser es in Costa Rica gibt. Überall im Land kann man das Leitungswasser trinken, was dann auch noch hervorragend schmeckt, wenn man mal von San José absieht. Es gibt überall kleine Buchten und saubere Strände. Viele von ihnen werden kaum besucht. Was uns jedoch am meisten beeindruckt hat, war die Tierwelt. Wir haben in den zwei Wochen so viele verschiedene Vögel gesehen, wir haben Affen, Aras, Krokodile und Leguane beobachten können. Ja, wir hatten eine schöne Zeit in diesem kleinen Land, in dem wir gerne noch länger geblieben wären. Auch die Menschen waren uns gegenüber sehr freundlich gestimmt. Immer wieder wird man mit dem für Costa Rica so berühmten „Pura Vida“ (reines Leben) begrüßt oder verabschiedet. Es ist nicht nur so eine Floskel, sondern etwas, das in der DNA der Costa-Ricaner verwurzelt zu sein scheint.

Interessant ist auch die Geschichte und damit auch die Politik des als „Schweiz Mittelamerikas“ bezeichneten Staates. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist Costa Rica im Gegensatz zu den Nachbartaaten eine stabile Demokratie und hat 1983 seine unbewaffnete Neutralität erklärt. Das heißt, es gibt kein Militär, was irgendwie sehr fortschrittlich erscheint.

Man hat das Gefühl in einem gesunden, sicheren und gut funktionierenden Staat unterwegs zu sein.

Costa Rica ist auf jeden Fall einen Besuch wert!

Liebe Grüße aus Granada in Nicaragua,

Rebecca und Johann

(Johann)

Panama – vorschnelle Urteile und tolle Erlebnisse

Es schüttet wie aus Kübeln. Unter unserem Zelt steht das Wasser, der Zeltboden ist schon lange nicht mehr dicht und die Plane die wir zwischen Zeltboden und Isomatten geschoben haben hat auch schon den Geist aufgegeben. Ein kleines Dejá-vu. Argentinien lässt grüßen. Naja. Zumindest sind die Ruck- und Schlafsäcke noch trocken. Wir sitzen und warten dass der Regen aufhört, etwas anderes bleibt uns auch nicht übrig weil an einen Umzug überhaupt nicht zu denken ist. Nach etwa einer Stunde heftigsten Dauerregens wird es langsam weniger. Zu früh gefreut, es wird wieder stärker. Ihr seid übrigens live dabei…

Als es dann doch irgendwann beinahe aufhört gehe ich nach draußen. Rings um unser Zelt steht das Wasser auf der Wiese. Na toll. Zum Glück finde ich einen Platz, groß genug für unser Zelt, der zwar etwas steinig ist, auf dem aber immerhin nicht das Wasser steht. Wir ziehen das Zelt ein paar Meter weiter an den neuen Platz und können dann endlich schlafen. Der Regen begleitet uns durch die Zeit in Panama. Fast jeden Tag schüttet es mindestens einmal als würde die Welt untergehen. Die Regenzeit ist halt leider noch nicht ganz vorbei und gibt zum Abschluss nochmal ihr bestes…

Unser erster Eindruck von Panama? Negativ. Die Schwierigkeiten bei der Einreise, die nervenaufreibende Bootsfahrt, das ständige Für-Alles-Bezahlen-Müssen, die riesige Hauptstadt. Wir waren von unseren ersten Eindrücken ziemlich voreingenommen, was Panama betraf. Die haben wir inzwischen aber überarbeitet. Dank der Menschen:

Wir fahren mit einem ehemaligen, zu einem Bus umgebauten LKW ein paar Kilometer aus der Stadt und steigen am Panama-Kanal aus. Eine riesige Brücke zieht sich darüber, Autos rauschen ununterbrochen hin und her, während unter der Brücke nicht viel los ist. Ein leeres und nicht besonders großes Frachtschiff fährt unter der Brücke hindurch, weiter hinten wird ein richtig großer Frachter gerade beladen. Irgendwie habe ich mir Schiffe fast schon in einer Kette fahrend und alles viel spannender vorgestellt. Aber gut, wir sind hier ja auch nicht am besten Ort zum Schiffe beobachten. Wir waren mal wieder zu knausrig die 20 Dollar für das Museum etwas weiter landeinwärts und die damit verbundene Schleusenführung zu zahlen. Da hätte ich meine Schiffe wahrscheinlich bekommen. Pech gehabt. Als ich von der Brücke zurückkomme wird Johann gerade von einem jungen Mann fotografiert, der auch mich freundlich begrüßt und gleich noch ein Foto von uns zusammen schießt. Das ist unsre Gelegenheit. Als der Mann schon fast wieder bei seinem Auto ist springe ich ihm hinterher und frage ihn ob er uns nicht mitnehmen will. Und er sagt „Ja“. Wir steigen also ein und freuen uns riesig, gleich eine Mitfahrgelegenheit ergattert zu haben. Kein schlechter Anfang. Ein paar Kilometer später steigen wir an einer Bushaltestelle aus. Der junge Mann, Fotograf, hat zwar irgendwie verstanden, dass wir per Autostopp reisen, scheint sich dann jedoch doch nicht so ganz sicher ob wir es wirklich ernst meinen. Wir laufen also zur Autobahnauffahrt und stehen keine 15 Minuten da, da kommt ein Jugendlicher auf uns zu und erklärt uns, dass wir den Bus nehmen müssten. Ein Taxi das vor uns hält fragt er, ob es uns nach Boquete, das wir als unser Ziel angegeben haben (ca 450 Km. entfernt!) fahren kann. Wir erklären ihm, dass wir per Anhalter fahren und die wahrscheinlich kaum zu bezahlende Taxifahrt bleibt uns erspart. Keine halbe Stunde später kommen zwei Polizisten angeradelt. Sie wollen nicht verstehen, weshalb wir so beharrlich an der Straße stehen, fragen immer wieder, weshalb wir denn nicht den Bus nähmen. Da sie nach etwa 20 Minuten des Dastehens immer noch keine Anzeichen machen zu gehen, geben wir doch nach und steigen in einen LKW-Bus ein. Nach wenigen Minuten Fahrt steigen wir wieder aus und wollen dem Fahrer sein Geld geben, doch der winkt ab. Wir stellen uns wieder an der Straße auf, bis der Regen kommt. Die sintflutartigen Regenfälle machen uns mindestens einmal am Tag das Leben schwer. Dazu kommt die drückende Hitze, die wir kaum ertragen. Wenn die Sonne nicht da ist, ist es aushaltbar, 500 m mit dem Rucksack reichen jedoch, dass man wieder schweißnass ist… Die Pause kommt uns gerade gelegen. 1 1/2 Stunden an einer zweispurigen Autobahn zu stehen, ständig brausen Autos, Kleinlaster und LKWs an einem vorbei, ist anstrengend. Wir sind nervich lang nicht mehr so entspannt oder so geduldig wie noch am Anfang der Reise, das merken wir immer mehr.

Nur etwa eine halbe Stunde nachdem wir uns wieder an die Straße gestellt haben hält ein roter Pick-Up. Wir sind glücklich, dass trampen hier doch bekannt und zu funktionieren scheint. Wir werfen die Rucksäcke auf die Ladefäche und es geht los. Nur wenig später müssen wir Emery bitten anzuhalten. Der nächste Regenguss durchnässt unsere Rucksäcke. Der alleinerziehende Vater zeigt uns den Strand, an dem er und seine beiden Söhne wochenends ab und zu surfen gehen und nimmt uns mit zu seinem Arbeitsplatz. Seine Einladung zu sich nach Hause haben wir bereits dankend angenommen. Wir verbringen einen wirklich schönen Abend mit der Männerfamilie, werden in der Stadt herumgefahren in der sie leben, werden zum Burger essen eingeladen und dürfen in ihrem Wohnzimmer mit unseren Isomatten schlafen. Der kleine fünfjährige Junge ist den ganzen Abend vollkommen aufgedreht, hüpft vor lauter Freude überall im Wohnzimmer, auf den Sofas und den Isomatten herum, wobei er immer wieder der Länge nach hinschlägt, lachend wieder aufsteht und weitermacht. Er kommt kaum zur Ruhe, obwohl er wiederholt die flache Hand seines Vaters zu spüren bekommt. Etwas, das wir erst seit Panama beobachten. Schon in Puerto Obaldía haben wir einen Vater seinem Sohn Schläge androhen hören: „Te voy a pegar!“ (Ich werde dich schlagen!). Wir waren uns jedoch nicht sicher, ob das wirklich ernst gemeint war. Doch seit wir hier sind, hören wir es immer wieder, in Supermärkten , in Warteschlangen und auch hier. Es ist total bizarr. Zumal der Junge das vollkommen gewohnt zu sein scheint. Kein Weinen, nichts. Nach ein paar Minuten macht er weiter wie vorher.

Am nächsten Tag setzt uns Emery an einer Tankstelle ab, von wo aus wir weitertrampen können. In einem Kleinlaster geht es weiter. Wir sind begeistert wie gut das Trampen hier funktioniert. Denn wenn man an der Straße steht, bekommt man von den vorbeifahrenden Autos nicht immer Nettigkeiten entgegengebracht. In erster Linie wird man ignoriert und die die reagieren, machen fordernde Handbewegungen oder hupen einen mehrmals an. Dass man angehupt wird kennen wir. Meistens jedoch zum Gruß oder wenn jemand weiter hinten hält um einen mitzunehmen. Das ist hier nicht der Fall. Eine Frau streckt uns sogar im Vorbeifahren die Zunge raus.

Ein Auto mit drei Frauen hält und nimmt uns mit bis in den nächsten größeren Ort, zu dessen Ortsausgang wir uns dann zu Fuß aufmachen als eine Frau langsam an mir vorbeifährt und neben Johann hält. Sie bringt uns bis zur Tankstelle am Ortsausgang. Eine „Terpel Va&Ven“. Warum sage ich das? Weil diese Tankstellen der absolute Hammer sind! Wir kommen mittags an und fragen ob wir über Nacht unser Zelt aufstellen dürfen. Toiletten und Duschen sind blitzeblank und nagelneu, beides kostenlos. Es gibt sogar eine Waschmaschine und einen Trockner, wo man sich seine Wäsche selbst waschen kann, je für einen Dollar! Wir sind total begeistert von der Tankstelle, sitzen im klimatisierten Inneren und trinken ein Erfrischungsgetränk nach dem anderen, denn man muss sich nur einen Becher für 55 Cent kaufen und kann dann so viel trinken wie man will. Wir sind im Schlaraffenland.

Am nächsten Morgen entscheiden wir uns dann, relativ zügig in die nächstgrößere Stadt zu kommen. Johann hat seit drei Tagen beständige Schmerzen unterhalb des rechten Rippenbogens und das möchten wir von einem Arzt abklären lassen. Über das ebenfalls kostenlose Internet der Tankstelle konnten wir ein Krankenhaus ausfindig machen. Wir stellen uns also an die Autobahn und versuchen Busse anzuhalten. Zwischendurch trampen wir. Und tatsächlich. Schneller als irgendein Bus hält ein LKW, der uns bis an den gewünschten Ort mitnehmen kann. An einer Polizeikontrolle werden wir angehalten und der Fahrer wird gebeten, den LKW am Straßenrand zu parken. Er wedelt uns mit einem 20 Dollar-Schein zu. „Ihr Mittagessen“ sagt er, bevor er aussteigt. Als er zurückkommt fragen wir ihn, für was er jetzt denn bezahlen musste, nicht dass es wegen uns war… „Naja“, sagt er, „Bei meinen Hinterreifen ist das Reifenprofil zu abgefahren. Ich hätte die Reifen wechseln müssen und der Polizist hätte mir eine Strafe gegeben. Weil sich das aber negativ auf meine Punkte ausgewirkt hätte, habe ich ihm einfach „was auf die Hand gegeben.“ Das erste Mal Korruption live. So einfach geht’s…

Bei Johann stellt sich eine Magenschleimhautentzündung heraus, gegen die er Medikamente bekommt. Der Auslöser war wahrscheinlich, dass wir zwei Tage nicht ordentlich gegessen und dann richtig zugeschlagen haben… Wir übernachten in einem Hotel (manchmal sind Hotelzimmer tatsächlich günstiger als Hostels, allerdings sind sie dementsprechend wenig ausgestattet und teilweise auch echt verratzt). Am nächsten Morgen kommen wir auf den 4 Km. zum Ortsausgang in der Nähe des Busbahnhofs vorbei und ehe wir es uns versehen, sitzen wir in einem der angenehm klimatisierten Busse. Das müssen wir wieder besser in den Griff bekommen, machen wir aus. Dieses aus Faulheit doch lieber in den Bus steigen…

Imsgesamt drei Tage verbringen wir über Couchsurfing in Boquete. Wir sind bei einem US-Amerikaner, dem ein eigenes Unternehmen gehört, untergebracht. Wir bekommen ein eigenes Zimmer mit zwei riesigen Betten, alles ist eingerichtet wie in einem amerikanischen Haushalt. Johann mach aus Versehen den Duschhahn mit dem „C“ drauf an. Bis er merkt, dass sie mit „C“ und „H“ und nicht, wie bisher, mit „F“ (Frio/Kalt) und C (Caliente/Heiß) beschriftet sind. Als wir abends kochen stellen wir den Ofen auf 180ºC, er will allerdings nicht so richtig heiß werden. Endlich klärt unser Gastgeber uns auf, dass es Fahrenheit und nicht Grad sind, was da angezeigt ist. Kein Wunder, dass das Essen nix wird… Sein für ein Jahr gemietetes Haus steht in einem einwandfrei gepflegten „Neighbourhood“. Ein Golfplatz befindet sich in der Mitte, ein klarer Bach fließt durch das wirklich schöne Gelände. Trifft man jemanden innerhalb des Grundstücks, spricht man Englisch. Von dem riesigen Fest im Ort, mit bestimmt 200 Pferden und Reitern bekommt man hier nichts mit. Nur die lauten Knaller der Feuerwerkskörper lassen ahnen, dass gerade irgendetwas gefeiert wird. Wir sind in einer vollkommen anderen Welt. Mit unseren Gastgebern verbringen wir nur wenig Zeit. Sie sind die ganze Zeit an ihren Computern am Arbeiten und ziehen es vor bis auf ein Mal ihr eigenes Essen alleine zu essen. Wir stehen also zu dritt in der Küche und bereiten zwei verschiedene Gerichte zu, dabei wäre es so viel einfacher und auch schöner einfach eine Sache zusammen für alle zu kochen…

Wir entscheiden uns dagegen, den Vulkan in Boquete zu besteigen, der dafür berühmt ist, dass man bei klarer Sicht beide Ozeane sehen kann. Da das Wetter aber ziemlich unberechenbar ist, gehen wir lieber einfach so ein bisschen zwischen riesigen Kaffeeplantagen an kleinen Holz- und Blechhütten vorbei, wo Frauen in langen Kleidern gerade die Wäsche waschen, spazieren und bestaunen den Vulkan und die grüne Vegetation von unten.

Als wir den Ort verlassen, ist dieser voller Menschen. Militär, Polizei, Blaskapellen, jeder in seiner Uniform und dazu ein Haufen Besucher. Sie kommen mit Plastikstühlen, auf denen sie sich am Straßenrand niederlassen um die vorbeimarschierenden Militärs und Blaskapellen zu bestaunen. Schon den ganzen Monat sind in Panama „Fiestas Patrias“ („Vaterlandsfeste“), heute ist jedoch ein ganz besonderer Tag, denn heute wird die Unabhängigkeit von Spanien gefeiert. Allerdings war Panama danach kein unabhängiger Staat. Er trat „Gran Colombia“ (Großkolumbien) bei, einem Staatenbund aus den Ländern Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru und Bolivien, der sich zehn Jahre später (1831) auflöste. Panama blieb allerdings bis 1903 eine Provinz Kolumbiens und wurde von Kolumbien selbst erst 1921 als legitimes eigenständiges Land anerkannt. Erschreckend an der Geschichte dieses Landes ist der Einfluss der USA. Ihr wurden 1903 die Rechte zum Kanalbau übertragen, entgegen der Weigerung Kolumbiens. Im Gegenzug erkannten die USA Panamas Souveränität sofort an. Kolumbien erkannte Panama erst als eigenständiges Land an, als die USA eine Entschädigung von 25 Mio. US$ zahlten… Das war allerdings noch lange nicht das Ende der US-Interventionen: Mit den Rechten zum Bau des Panamakanals bekamen die USA auch das Recht zur Intervention in panamaische Angelegenheiten und für immer die Hoheitsrechte über die Kanalzone. Nachdem sich die USA mehrmals in politische Angelegenheiten eingemischt hatten, wurde der Vertrag schließlich geändert und die USA verzichteten auf ihre Interventionsrechte außerhalb der Kanalzone. Erst 1999 wurde Panama der komplette Abzug des amerikanischen Militärs und die volle Kontrolle über den Kanal zugesprochen. Doch bis es dazu kam, litt die panamaische Bevölkerung mehr als 30 Jahre unter einer Militärdiktatur, die in der Person Noriegas, der sich selbst erst zum General und später zum Präsidenten ernannte, ihren Höhepunkt fand. Er erklärte den USA den Krieg, die auf die Ermordung eines US-Marinesoldats sofort reagierten. Flugzeuge, Panzer und 26.000 Mann zerstörten ganze Gebiete von Panama-Stadt, 2000 Zivilisten mussten ihr Leben lassen. Das war im Dezember 1989. Wenn man heute durch Panama reist, erfährt man kaum etwas von dieser Zeit, die noch gar nicht so weit zurückliegt. Uns gegenüber hat nie irgendjemand etwas erwähnt. Der Einfluss der USA ist jedoch nicht zu übersehen. Die Menschen scheinen sich nach den USA zu orientieren: ganze Siedlungen sind in amerikanischem Stil gebaut, Malls und Fastfoodketten sind in fast jeder Stadt zu finden. Die USA haben sich einen bleibenden Einfluss in Panama bewahrt. US-amerikanische Rentner ziehen gerne hierher, wahrscheinlich weil es gar nicht so anders ist als in der Heimat. Und doch: auch indigene Kulturen sind in Panama anzutreffen. Und lernt man die Menschen ein bisschen näher kennen, merkt man, dass sie doch ihre ganz eigene Lebenseinstellung und Identität haben und auf keinen Fall als ein Teil USA wahrgenommen werden dürfen.

Der ganze November ist in Panama der Monat der „Fiestas Patrias“ in dem beide Unabhängigkeiten groß gefeiert werden. Übrigens, das haben wir in Kolumbien zum erstenmal gehört und das wird auch in Panama so gehandhabt, ist der Montag Schul-, bzw Arbeitsfrei , wenn es am Wochenende einen Feiertag gab! Jetzt ist also genau dem Tag, an dem wir Boquete verlassen wollen ein riesiges Fest. Zum Trampen könnte das schwierig werden, weil alle kommen und erstmal nicht gehen. Und doch geht es richtig schnell. Nach zehn Minuten hält ein junger Mann, Polizist, und lässt uns einsteigen. Am Ende der Fahrt sind wir nur noch etwa 30 Km. von der Grenze zu Costa Rica entfernt und bekommen von unserem Fahrer auch noch eine Tüte mit sechs Orangen geschenkt! Wir stellen uns also wieder an die Straße in den Schatten einer Brücke und strecken die Daumen aus. Wenig später kommt ein Junge auf uns zu und fragt ob wir kein Geld für den Bus hätten. Wir erklären ihm, dass wir es theoretisch schon hätten, praktisch aber mit Einheimischen reisen möchten, um mehr von Land, Leuten und Kultur zu erfahren. Er möchte uns das Busticket bis zur Grenze zahlen, doch wir winken ab. Eine halbe Stunde später kommt ein junges Mädchen auf uns zu und stellt uns die gleiche Frage wie der Junge zuvor. Wir antworten wie gehabt und sie streckt uns daraufhin einen 5$ – Schein entgegen. Er sei von ihrer Mutter für uns, sagt sie. Erst als wir uns auch das zweite Mal bedankt haben und keine Anstalten machen, den Geldschein zu nehmen, gibt sie auf. Die Menschen scheinen aufgrund des Trampens das Gefühl zu haben, wir hätten überhaupt kein Geld und trampten deshalb. Nach insgesamt bestimmt drei Stunden des Wartens hält ein Pickup. Der junge Mann will uns erst mitnehmen, weil es aber nur ein kurzes Stück ist, bietet auch er uns an, uns den Bus zu zahlen. Während ich mich noch mit ihm unterhalte und ihm erkläre weshalb wir trampen, wird Johann von einem Taxifahrer herbeigewunken. Mit 2,50$ in der Hand kommt er zurück. Wir sollen uns ein Erfrischungsgetränk davon kaufen… Der junge Mann, Kevin, hievt unsere Rucksäcke auf seine Ladefläche und es geht los. Unterwegs erzählt er uns, dass seine Familie eine Maracujaplantage besitzt. 25 Hektar Maracuja! Es ist mal wieder ein Paradebeispiel, weshalb wir trampen. Er nimmt uns zwar insgesamt nur ein kurzes Stück mit, allerdings bietet er uns an mit zu seiner Plantage zu kommen. Schon der Weg dorthin ist malerisch. Es geht durch dichten grünen Wald, ein steiles Schottersträßchen hinab und dann über eine schmale Brücke, auf die ein Auto gerade so passt. Der Fluss darunter ist glasklar und wunderschön. Auf solch einer kurzen Fahrt lernt man manchmal viel mehr als auf langen. Auf der Farm werden wir unglaublich herzlich empfangen, von seinem Vater, der sich ausgiebig mit uns unterhält, von sriner Frau und seinen beiden Kindern und von einem Tico (einem Landsmann Costa Ricas) der so ansteckend lacht, dass man jedes Mal mitlachen muss. Wir sitzen zusammen an einem Tisch im Schatten eines Baumes, werden von vorne bis hinten mit Keksen, frischer Papaya, Toastbrot, Eis und dem besten Maracujasaft versorgt den wir je getrunken haben. Als Kevin uns zurück an die Straße fährt, sein Pickup mit Maracujas beladen, erzählt er uns wie gut er sich gerade fühlt, weil er uns mitgenommen hat. Unsere Idee des Trampens leuchtet ihm ein und gefällt ihm, auch wenn er es vorher nicht so ganz nachvollziehen konnte dass man ewig an der Straße steht obwohl man doch einen Bus zahlen könnte. Es ist schön zu sehen wie gut er sich fühlt, dass er sich getraut hat, uns mitzunehmen. Als wir uns trennen, schenkt er uns zwölf Maracujas. Sie sind schwer, randvoll und unheimlich lecker. Im Februar wird er nach Berlin reisen. Er möchte seine Früchte nach Europa verkaufen. Und wer weiß, vielleicht liegen sie irgendwann mal bei uns im Supermarkt…

Ein Pärchen nimmt uns wenig später bis zur Tankstelle vor der Grenze mit, wo wir die Nacht verbringen, bevor wir am nächsten Tag nach Costa Rica laufen. Gemeinsam mit einem Italiener, der mit seinem Fahrrad schon ein Jahr unterwegs ist. Er ist in Ushuaia gestartet und hat das gleiche Ziel wie wir: Alaska im nächsten Sommer. Irgendwo werden wir ihn irgendwann wiedertreffen, da sind wir uns sicher…

Um Panama nochmals zusammenzufassen: nach der Einreise und der ganzen Bootstrecke mit allem drumherum waren wir nicht gerade begeistert. Das trübe Wetter machte auch die Karibik ncht sonderlich attraktiv und wir waren aufs Schlimmste eingestellt als es ans Trampen ging. Und doch hat sich Panama als etwas ganz anderes entpuppt als erwartet: als ein Land voller freundlicher, offener und hilfsbereiter Menschen. Landschaftlich hat Panama uns nicht sonderlich mitgerissen, wir waren allerdings auch die ganze Zeit auf der vierspurigen Panamericana unterwegs, die wenig Platz für Vegetation lässt und haben die Bocas del Toro, eine weitere karibische Inselkette vor dem panamaischen Festland nicht besucht, die aufgrund ihrer Schönheit meisbesuchtes Touristenziel in Panama ist. Aber die Menschen, die dieses Land besiedeln, haben einen tiefen und bleibenden Eindruck bei uns hinterlassen. Wenn wir Panama nochmals besuchen würden, dann wegen seiner Bewohner.

Liebe Grüße aus Costa Rica,

Johann und Rebecca

(Rebecca)